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Planen, Nutzen, Schützen - Waldnaturschutz im Arbeitsalltag

Ein Januarmorgen im Revier Güntersleben am Forstbetrieb Arnstein. Karl-Georg Schönmüller, Leiter des Forstreviers, macht sich auf den Weg in sein Revier. Er trifft sich mit seinen Waldarbeitern, um die letztem Details der anstehenden Hiebsmaßnahmen abzustimmen. Dabei wird wie selbstverständlich auch der Waldnaturschutz eine wichtige Rolle spielen.

Als Karl-Georg Schönmüller um kurz nach sieben seinen Suzuki Vitara aufsperrt, hat er es eilig. Schnell noch Linus, den Deutschen Wachtel, in die Kofferaumbox. In einer knappen halben Stunde hat er einen Termin mit seiner Waldarbeiterrotte. Zum Glück hat er es nicht weit, ein paar Kilometer nördlich von seinem Reviersitz liegt der Gramschatzer Wald, ein Teil davon liegt in seinem Revier. Dort hat er sich verabredet, er will einen Einsatz besprechen und die Meinung der Kollegen einholen. Auf dem Beifahrersitz liegt das regionale Naturschutzkonzept des Forstbetriebs Arnstein, eine Pflichtlektüre vor jeder Maßnahme, nicht nur hier im FFH-Gebiet. Den Bestand hat er schon Anfang Dezember ausgezeichnet und Biotopbäume dauerhaft mit einem Wellensymbol markiert. Mit den Forstwirten will er besprechen, wie sie die im Naturschutzkonzept vorgesehen Totholzziele erreichen können. Der Austausch mit den Kollegen, so betont Schönmüller, ist ihm wichtig, auf das Know-how will er nicht verzichten.

Es kreucht und fleucht im toten Holz

Totholz ist überall im Staatswald ein Thema, der Totholzanteil soll bayernweit wachsen. Totholz ist Lebens-, Wohn-, Nahrungs- und Brutraum, der Anteil von Totholz ist auch ein Indikator für den Artenreichtum. „Hier sind wir gut vorwärts gekommen“, sagt der Leiter des Teilbereichs Naturschutz, Markus Kölbel. „Seit Unternehmensgründung 2005 haben wir die Totholzmenge um über 30 Prozent gesteigert.“ Das geschieht nicht von ungefähr, sondern ist das Resultat von Plänen und deren Umsetzung. Und schon gar nicht ist es das Ergebnis von Faulheit des Revierleiters, der sein Revier nicht „aufräumt“. Spaziergänger kritisieren das manchmal, Naturschützer dagegen freuen sich, denn sie wissen, dass das herumliegende Holz die Wälder ökologisch aufwertet. Und dann gibt es noch die Selbstwerber. Sie heizen ihr Haus mit Holz und können oft nicht verstehen, warum man den wertvollen Rohstoff Holz ungenutzt im Wald liegen lässt.

Ein Kreis, möglichst eckig!

Das bekommt auch Schönmüller immer wieder zu spüren. Nach dem Termin mit den Forstwirten trifft er sich mit Werner H., einem Selbstwerber, der mindestens 10 Festmeter haben möchte. Höchstens sieben wird er bekommen. Schönmüller würde ihm auch gerne mehr verkaufen. Ein Problem, das auch seine Revierleiterkollegen kennen. Die Selbstwerber stehen in vielen Gegenden Bayerns regelrecht Schlange, um ein Holzkontingent zu bekommen. „Moderne Forstwirtschaft ist immer ein Kompromiss“, erklärt Schönmüller dem Selbstwerber H. Ziel sei es, zum Wohl der Gesellschaft möglichst gut einen Ausgleich zu schaffen zwischen den Polen Lebensraum und Wirtschaftsraum, Arbeitsplatz und Freizeitkulisse. Manchmal gleicht das der Quadratur eines Kreises. Würden die Bayerischen Staatsforsten den Begriff der Nachhaltigkeit allein nach der nutzbaren Holzmenge definieren, könnte H. seine 10 Festmeter bekommen. „Wir wollen in unseren Wäldern aber auch eine ökologische Nachhaltigkeit haben“, sagt Kölbel“, und dazu gehört insbesondere das Schaffen von Lebensraum für Tiere und Pflanzen.

Ideal: Ein ganz normaler Lebensraum

Die beste Voraussetzung dafür sind gut strukturierte, baumartenreiche Mischwälder. In vielen unserer Forstbetriebe und Reviere ist der Waldumbau hin auf dieses Ziel voll im Gange. Für Schönmüller ist das kaum ein Thema, er hat in seinem laubholzreichen Revier ein anderes Problem: Ihm fehlt der Niederschlag. Lediglich 500 ml Regen pro Jahr sind den Wäldern hier auf der fränkischen Platte vergönnt. Das ist eine Niederschlagsmenge wie in Süditalien. Das wenige Wasser soll deshalb möglichst lange gehalten werden. Im Frühjahr will Schönmüller einige Feuchtbiotope angelegen, als Wasserreservoir, aber auch als Biotop. Das ist auch der Grund, warum er sich heute mit Axel Reichert trifft. Der Naturschutzspezialist für Nordbayern berät unsere Forstbetriebe bei genau solchen Fragen. „Wir betreiben Forstwirtschaft auf ganzer Fläche, der Naturschutz ist darin ein elementarer Bestandteil“, sagt Reichert. „Aber wo es der Artenvielfalt hilft, nehmen wir auch kleinere Flächen aus der Nutzung.“ Reichert kann Schönmüller eine ganze Menge Tipps geben, wenn es zu speziell wird, vermittelt er Spezialisten, z.B. Biologen, Ornithologen oder Reptilienforscher. Die Hälfte unserer Forstbetriebe greift auf seine Unterstützung zurück, Dutzende von Einzelprojekten im Staatswald wollen präzise geplant sein. „Diese hohen Naturschutzstandards sind wichtig“, sagt Reichert, „wir wollen den Artenreichtum so gut es geht fördern.“

Die Latte liegt hoch

Dass die Standards heute viel höher sind als noch vor 20 Jahren, als er als Förster angefangen hat, davon weiß auch Karl-Georg Schönmüller zu berichten. „Die Leute schauen viel genauer, was wir im und mit dem Wald machen.“ Der Bruderwald liegt im Einzugsbereich von Würzburg, viele Ausflügler kommen aus der Stadt auf einen Spaziergang oder zum Sport. „Wir merken schon, dass wir öfter angesprochen werden als früher, wir müssen uns mehr erklären.“ Die Ansprüche der Gesellschaft sind gestiegen. „Wir müssen etwa mehr Methusaleme vorhalten als früher“. Das macht die Arbeit nicht einfacher, bietet aber auch Chancen. Schönmüller bietet regelmäßig Exkursionen an. „Ich will den Leuten einen Zugang zur Forstwirtschaft schaffen. Dazu muss ich die Leute dort abholen, wo sie sich von ihren Wissen und ihrer Einstellung her befinden.“ Das kann dann über einzelne Naturschutzprojekte gehen, die ja Teil der Forstwirtschaft sind. Aber auch über Optik und Ästhetik. „Am wichtigsten ist aber das miteinander reden“. Und das Zusammenarbeiten, nicht nur mit den Behörden, sondern selbstverständlich auch mit ehrenamtlichen Naturschützern und Naturschutzverbänden. „Mit dem Bund Naturschutz arbeite ich sehr gut zusammen. Durch die vielen gemeinsamen Projekte ist Vertrauen entstanden“, so Schönmüller. Das ist eine Erfahrung, die viele Revierleiter gemacht haben. Die anfängliche Skepsis nach der Unternehmensgründung ist, zumindest auf regionaler Ebene, einer oft vertrauensvollen Zusammenarbeit und gegenseitigem Respekt gewichen. „Daran müssen wir weiter arbeiten, denn Naturschutz und Forstwirtschaft sind ja keine Gegner“, sagt Markus Kölbel.

Um kurz vor elf ist Schönmüller wieder im Büro. Linus freut sich auf ein Nickerchen unter dem Bürotisch, Schönmüller auf ein Tasse Kaffee. Anschließend zieht er den Managementplan für den Gramschatzer Wald aus dem Regal und prüft, ob die geplanten Feuchtgebiete Auswirkungen auf andere Arten haben könnten.