Wo fliegen sie denn?
Schwarz war zu keiner Zeit eine wirklich beliebte Farbe. Das Dunkle und Düstere löst bei den meisten Menschen ebensolche Gefühle aus. Wen wundert’s also, dass der Schwarzstorch ob seines Federkleids im Ansehen seinem weißen Pendant meilenweit hinterher fliegt. Dem einen eilt der Ruf voraus, dass er die Babys bringt. Dem anderen war in der Mythologie der Platz des Unheilsboten vorbehalten. Aus diesem und einigen anderen ähnlich unsinnigen Gründen wurde der Schwarzstorch im 19. Jahrhundert bekämpft. In Bayern führte das zu seiner Ausrottung. Aus dem Unglücksboten wurde ein Unglücksrabe. Wegen seiner schwarzen Federn und den damit assoziierten trüben Gedanken in noch trüberen Köpfen hat man einer wunderschönen Art ziemlich übel zugesetzt. Noch heute ist es so, dass viele Zeitgenossen auf die Frage, ob sie lieber den schwarzen oder den weißen Storch auf dem Kirchturm in ihrer Nähe sitzen hätten, ganz klar den Weißstorch favorisieren würden.
Zugegeben, die Frage ist müßig. Denn erstens sind die Zeiten von Aberglauben längst vorbei. Die Liste mit Unheilssymbolen ist in unserem hochtechnisierten Zeitalter ist mit zwei Einträgen nicht gerade sehr lang. Allein Freitag der 13. und schwarze Katzen halten die Fahne der Unglücksboten noch tapfer in die Höhe.
Und zweitens hätte der Schwarzstorch eh keine Lust auf Kirchtürme. Die Glocken und die um den Kirchturm herumwuselnden Menschen machen Turmspitzen zu einer No-Go-Gegend für den Schwarzstorch. Ganz im Gegensatz zu seinem weißen Pendant lebt er gerne im Verborgenen. Je einsamer und ruhiger der Wald, desto besser. Je uneinsehbarer das Nest, desto gemütlicher machen es sich Meister Adebar und Gemahlin. Und je gemütlicher das Nest, desto …, naja, Sie wissen schon. Die Folge sind einige kleine Adebars. Um genau zu sein: Meistens sind es drei bis sieben rabenschwarze Federträger. Über den Nachwuchs freuen sich nicht nur die stolzen Eltern, sondern mindestens genauso die Förster der Bayerischen Staatsforsten. Diese haben im vergangenen Jahr, in enger Zusammenarbeit mit dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern und unterstützt von vielen Forstbeschäftigten der Bayerischen Staatsforsten, mal gründlich durchgezählt. 53 Storchenpaare haben sie gefunden. Das ist genau die Hälfte der in Bayern festgestellten Paare. In 41 Nestern waren die frisch gebackene Storcheneltern am Brüten. Abwechselnd natürlich, denn moderne Papas nehmen Elternzeit. In den restlichen zwölf Behausungen war der Nachwuchs noch in Arbeit.
Mit 105 Paaren leben in Bayern genau hundert Paare mehr als bei der Brutvogelkartierung der Jahre 1979-1983. „Von nichts kommt nichts“, sagt der Volksmund ja meistens völlig zurecht. So ist es auch im Fall des Schwarzstorches. Seit Jahrzehnten bemüht sich in den bayerischen Wäldern eine Koalition aus Förstern und Vogelschützern um die Wiederansiedlung der scheuen Vögel. Und darum, die Neuankömmlinge nicht gleich wieder zu vertreiben. Darum ist die genaue Erfassung der Brutplätze so wichtig: Nur so können in der Brutzeit von Ende März bis August Forstarbeiten in einem Umkreis von 300 Metern eingestellt werden. Von 21 genauer dokumentierten Bruten haben immerhin 17 Paare drei oder sogar vier Jungvögel zum Ausfliegen gebracht. Die Tiere profitieren seit einigen Jahren bei der Nahrungssuche natürlich auch von der Vielzahl neu geschaffener Biotopteiche im Staatswald. Brüten macht eben hungrig. Und ein wenig Fleisch auf den Rippen schadet den Störchen sicher nicht, denn als Zugvögel legen sie jeden Herbst teilweise einige tausend Kilometer in ihr Winterquartier zurück. Die Tatsache, dass die scheuen Tiere jedes Frühjahr wieder in den Bayerischen Staatswald zurückkommen, zeigt, dass sie hier finden was sie suchen: ausreichend Nahrung, ruhige Fleckchen und ein gemütliches Nest.