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Wie die Axt im Walde

Frischer Wind in der Märchenkulisse / Realität killt Romantik

 

Nichts war Monty Python heilig. Nicht einmal der glorreiche, teutonische Waldarbeiter. Das „Holzfällerlied“ der britischen Komikertruppe ist längst ein Klassiker: „Der Duft von frisch gefälltem Holz, das Geräusch der stürzenden, mächtigen Bäume, ein liebes Mädel an der Seite“, singt der schmalbrüstige Michael Palin in der deutschen Version. In Lederhosen hüpft er durch den Forst, ein blondes Mädchen im Arm, schwärmt vom Bäume hacken und davon, dass er in Frauenkleider schlüpft. Zwei Minuten, länger braucht es nicht, dann ist der Mythos vom Naturburschen zerbröselt wie ein morscher Zweig im Wintersturm. Die Satire nimmt die weit verbreitete Vorstellung aufs Korn, dass Wald ein idyllischer Arbeitsplatz sei, ein letzter Rest Wildnis, naturbelassen und technikfrei. Allenfalls ein paar gut gelaunte Förster schauen ihren Bäumen dort beim Wachsen zu und kernige Holzhacker schwingen Axt und Säge an der frischen Luft. Meistens singen sie dazu. Pustekuchen. Die Wahrheit ist: Waldarbeit war schon immer ein gefährlicher Knochenjob. Und seit mindestens 1000 Jahren ist die Wildnis gezähmt, der Wald das Produkt fleißiger, schwieliger Hände. Mühsam rangen sie dem Baummeer Meter um Meter ab. Sie nahmen das Land unter den Pflug, besiedelten und kultivierten es. Die Holzknechte schufteten bei Hitze und Kälte. Häufig starben sie unter herabfallenden Bäumen oder hackten sich die Beine spitz. An ihrer Technik hat sich lange wenig geändert. Zuerst waren ihre Äxte aus Stein, später aus Bronze, Eisen und Stahl. Die Metallklingen beschleunigten zwar die Arbeit, denn sie sind schärfer und durchtrennen mehr Holzfasern mit einem Hieb. Doch führen mussten den Hieb immer noch zwei starke Arme. Tempo war notwendig, denn die wachsende Bevölkerung, die Staaten, ihre Handwerker und Flotten brauchten immer mehr Holz. Für beinahe alles: Der Löffel des einfachen Mannes war genauso gewachsen wie der Stuhl, das Haus, das Schiff. Holz war zum Heizen nötig, zur Glasherstellung und zur Hexenverbrennung. Der Hunger nach dem Rohstoff war nicht zu stillen und nagte stetig an den Wäldern. War Germanien zu Cäsars Zeiten noch zu rund 70 Prozent bewaldet, bedeckten im 13. Jahrhundert Bäume nur mehr rund ein Drittel der Fläche – ein mit heute vergleichbarer Wert. Nur in Folge von Kriegen und Seuchen brandeten Wogen aus Bäumen immer wieder über ausgestorbene Dörfer und Weiler, über brache Felder und Weiden. Anfang des 19. Jahrhunderts war der Tiefpunkt erreicht. Große Gebiete waren kahl, verwüstet, entwaldet. Die Romantik mit ihren Dichtern, den Märchensammlern und Malern übersah den geschundenen Wald und die Mühsal der Arbeit. Ihr Blick war verklärt und wie Grimm und Co den Wald sahen, prägt noch heute unser Waldbild. Monty Pythons Hommage von 1969 ist nur eins von vielen Kunststücken, die mit den romantischen Vorstellungen spielen. Märchen, Horror- und Phantasy- Filme bevorzugen den Wald als Bühne. Holzfällerhemden sind modische Dauerbrenner. Die lustigen Holzhackerbuam fehlen in keinem Bierzelt und im Jahr 2002 brachten es die Randfichten mit ihrem Lied vom greisen Holzmichl sogar an die Spitze der Hitparade. Dabei wäre es Zeit, nicht mehr durch die rosarote Brille in den Forst zu schauen. Wald ist mehr als Märchenkulisse – er ist heute vielen Menschen ein moderner, multifunktionaler Arbeitsplatz. Die frische Luft ist allerdings geblieben.

von Peter Laufmann

 

Frischer Wind in der Märchenkulisse ist einer der Artikel des neuesten Magazins der Bayerischen Staatsforsten mit dem Titel „Märchenwald“. Märchenwald erscheint Ende Juni. Sie haben noch die Möglichkeit, sich <link de home unternehmen_wald aktuelles publikation magazin_bestellen.html external-link-new-window>hier für ein kostenfreies Abonnement anzumelden.