Maulhelden
Spechte haben einen langen Atem. Wer schon mal Gelegenheit hatte, einen Specht bei der Arbeit zu beobachten, weiß was wir meinen. Mit bis zu 20 Schlägen pro Sekunde werkeln die Energiebündel an den Bäumen herum. Wo es sich hohl anhört, wird gehämmert, denn Hohlräume sind ein Anzeichen für leckere Insekten. Nestbau ist eine andere Motivation für die Locherzeugung, denn Spechte sind Höhlenbrüter. Eine kuschelige Höhle kann für ein geordnetes Familienleben Gold wert sein. Davon singt nicht nur der Specht ein Lied, auch Dohlen, Fledermäuse, Kleiber oder Siebenschläfer sind zufriedene Nachmieter in leerstehenden Spechtbehausungen.
Es grenzt an ein Wunder, dass die Baumhacker keinen Brummschädel bekommen vom intensiven Gehaue. Die Evolution hat nach ein paar Millionen Jahre Entwicklungsarbeit für das Problem eine gute Lösung hervor gebracht: Ausgeprägte Muskeln um den Schnabel dienen als Stoßdämpfer. Darüber hinaus sitzt das Gehirn recht starr im Schädel. Spechte haben wenig Hirnwasser. Beim Menschen dagegen schwimmt das Gehirn im Hirnwasser und kann bei abrupten Bewegungen erschüttert werden.
Wenn Spechte arbeiten, dann konzentriert, ausdauernd und kraftvoll. Ein paar Sekunden hämmern, dann kurz den Schnabel halten und schauen ob sich was Größeres in Fressabsicht nähert. Falls ja: Fersengeld geben. Falls nein: Luftholen und weiterhämmern. Den lieben langen Tag geht das so, werktags genauso wie an Sonn- und Feiertagen. Die 40-Stunden-Woche hat die Evolution bei den Spechten noch nicht eingeführt. Lange Arbeitstage haben alle der gut 200 verschiedenen Arten, die unter dem Oberbegriff „Specht“ firmieren, gemeinsam.
Wer viel schafft, hat abends einen gesunden Appetit. Bei Spechten beliebt ist das Gasthaus zum Toten Baum. Oder anders ausgedrückt: Totholz. Liegendes oder stehendes Totholz ist voller Leben. Hier kreucht und fleucht es, dass es eine wahre Pracht ist. Für Insekten sind tote Bäume der ideale Lebensraum. Rund ein Drittel der rund 13000 im Wald lebenden Arten sind an Totholz gebunden, Totholz ist Lebensraum. Das ist auch der Grund, warum bei Holzerntemaßnahmen im bayerischen Staatswald viele Äste und Kronen im Wald zurückgelassen werden und so mancher Wald einen „unaufgeräumten“ Eindruck macht. Ein bewusster Verzicht, denn Äste und Kronen könnten ja auch als Brennholz dienen. Totholz ist Lebensgrundlage für viele bedrohte oder seltene Arten. Größere Holzstücke sind regelrechte Wohnbauprojekte für Kleinlebewesen, was wiederum den Specht freut.
Totholz ist sicher auch ein Grund, warum von den über zweihundert bekannten Spechtarten allein sieben im totholzreichen Spessart leben. Die mächtigen Stämme der alten Buchen und Eichen sind ein geradezu idealer Lebensraum für die Tiere. Zum Wohnen, zum Brüten und zum Fressen. Und natürlich auch zum Klopfen. Das Geklopfe der Spechte ist der ideale Soundtrack für den Spessart. Gerade an Sonn- und Feiertagen, beim Spazierengehen.