Grüne Lunge in grünen Händen
Eigentlich dürfte es den Steckerlaswald nicht mehr geben. Das letzte Hemd lag schon mehrmals bereit, der Patient Nürnberger Reichswald war schon mehrmals dem Tode geweiht. Mit Äxten, Rechen und Besen sind sie ihm Jahrhunderte lang zuleibe gerückt: Burggrafen, Bauern und Bürger beteiligten sich nach Kräften an der Ausbeutung des Waldes. Vor allem in Notzeiten war das Stück Holz im Ofen wichtiger als das Überleben des Waldes. Baum um Baum wurde umgesägt, verarbeitet oder schlichtweg verheizt. Eine Generation übergab der nächsten einen sprichwörtlich besenreinen Wald, denn abgefallene Blätter, Nadeln und Zweige wurden zusammengerecht und in Ställen als Einstreu verwendet.
Die eine oder andere Katastrophe tat ihr übriges. Der Wald hatte Löcher, soweit das Auge reichte. Für das Überleben der Wälder rund um Nürnberg hätte vor gut hundert Jahren kaum mehr jemand einen Pfifferling gewettet.
Der Nürnberger Reichswald wurde so zur Wiege der Forstwirtschaft. Mitte des 14. Jahrhunderts entwickelte Ratsherr und Geschäftsmann Peter Stromer ein Verfahren zur Saat von Fichten, Kiefern und Tannen. So konnten Kahlflächen wieder zu Wald aufgeforstet werden. Das Verfahren war so erfolgreich, dass ausgebildete Tannensäer ihre Kunst im In- und Ausland verbreiteten. Zuhause jedoch ging der Raubbau weiter. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts versorgte der Reichswald die Bürger weiterhin mit Bau-, Werk- und Brennholz, Holzkohle, Streu und Harz und war die Grundlage für die Bienenweide, die mit dem erzeugten Honig die Voraussetzung für die gewerbliche Lebkuchenherstellung war.
In den Jahren 1892 bis 1896 fraßen Schmetterlingsraupen fast ein Drittel des Reichswaldes kahl. Reparationshiebe und der Holzbedarf der Nürnberger Bevölkerung führten in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg zu weiteren Kahlflächen in einer Größenordnung von rund 4.000 ha. So entstanden monotone Kiefernwälder mit dünnen, langen und astlosen Stämmen, die der Volksmund bis heute mit „Steckerlaswald“ treffend bezeichnet.
Die Forstleute erkannten, dass diese monotonen Kiefernforste erneute Gefahren bargen: Sturm, Waldbrände, Insektenfraß und Krankheiten. So pflanzten die Waldarbeiter zwischen 1986 und 2003 im Rahmen des sogenannten „Reichswaldprogramms“ insgesamt 20 Millionen Laubbäume zur ökologischen Aufwertung. Der erste Schritt hin zum stabilen, vielfältigen Mischwald war getan.
Heute sorgen sich 59 Beschäftigte des Forstbetriebs Nürnberg um rund 24.000 Hektar Staatswald, der sich wie ein grüner Gürtel an die Stadt schmiegt. Der Nürnberger Reichswald gehört zu den beliebtesten Erholungsräumern der Bevölkerung. Mehr als 1.000.000 Besucher pro Jahr genießen die grüne Lunge, die Ruhe oder das Abenteuer genauso wie das Naturerleben und die ungehinderte Bewegung. Deswegen legt der Forstbetrieb Nürnberg besonderes Augenmerk auf die Pflege der Wander-, Rad-, und Reitwege. Sein Engagement für die Erholung wird von Verbänden, Vereinen, Gemeinden, dem Freistaat Bayern und anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen unterstützt.
Wichtigster Beitrag des Forstbetriebs Nürnberg für den Waldnaturschutz ist die nachhaltige und naturnahe Bewirtschaftung auf ganzer Fläche. So werden beispielsweise alte Laubbäume und freistehende mächtige Altkiefern auf Dauer geschützt, um ein wertvolles Netz aus Höhlen- und Brutbäumen zu bilden.
Nicht mehr Holz zu nutzen als nachwächst und damit die Folgegenerationen gut versorgt zu wissen, ist der Ursprungsgedanke der Nachhaltigkeit. Der heute beinahe inflationär benutzte Begriff hat seine Wurzeln damit in der Forstwirtschaft! Diesem Grundsatz folgend werden im Forstbetrieb Nürnberg jährlich 135.000 Festmeter Holz von Waldarbeitern oder waldschonenden Holzerntemaschinen gefällt. Dem gegenüber wachsen jedes Jahr 142.000 Festmeter Holz nach. Die Versorgung der Holzindustrie mit Bau-, Papier- und Industrieholz aber auch der Bürgerinnen und Bürger mit Brennholz ist das Kerngeschäft des Forstbetriebs.
Der verantwortungsvolle Umgang mit dem Nürnberger Reichswald und dabei den unterschiedlichsten Ansprüchen an den Wald gerecht zu werden, ist die große Herausforderung, die in den grünen Händen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Forstbetriebs Nürnberg liegt.