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Forstarbeiter werden angefeindet

In seinem Revier: Förster Hans-Joachim Ulrich im Reichswald am Tiergarten. Seit den Ausgangsbeschränkungen halten sich sehr viel mehr Besucher im Naherholungsgebiet auf. Nicht jeder von ihnen bringt Verständnis für die nötige Arbeit im Forst mit.

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Spaziergänger, Jogger und Radler beschimpfen die Beschäftigten im NÜRNBERGER REICHSWALD, weil sie mit ihren Fahrzeugen Staub aufwirbeln.

von Alexander Brock

Waldarbeiter sind in den vergangenen Wochen häufig Zielscheibe aggressiver Spaziergänger, Jogger und Radfahrer gewesen. Vor allem im Reichswald am Nürnberger Stadtrand haben Waldbesucher oft die Contenance verloren. Der Grund: Forst-Fahrzeuge wirbeln Staub auf. Waldbesuchern fehlt oft das Verständnis für die notwendigen Baumfällarbeiten, heißt es im Forstbetrieb.

Kritik muss Revierförster Hans- Joachim Ulrich immer wieder mal einstecken. Doch nach dem Lock- down, den Corona-bedingten Ausgangsbeschränkungen, hagelte es Anfeindungen. Die Menschen, deren Aktionsradius durch Infektionsschutzmaßnahmen eingeschränkt wurde, suchten und suchen immer noch scharenweise das Naherholungsgebiet Reichswald am Rande von Nürnberg auf. Einer der wenigen Zufluchtsorte, um der Enge zu Hause zu entkommen. „Es waren in den ersten Wochen nach der Ausgangsbeschränkung unheimlich viele Leute im Wald“, berichtet Ulrich, dessen Reichswald-Revier vom Tiergarten bis zu den Stadtteilen Zerzabelshof und Laufamholz reicht.

Täglich streift der Förster mit seinem Geländewagen, einem Dacia, durch das Waldgebiet. Kommt er an Spaziergängern, Joggern oder Radfahrern vorbei, erntet er fast immer „böse Blicke“, die er im Rückspiegel noch wahrnimmt. „Das ist die erste Stufe. Mit der zweiten fliegen einem dann noch üble Beschimpfungen hinterher. Das meiste hör’ ich Gott sei Dank nicht, weil ich die Fenster im Auto zu hab’“, sagt er.

Doch es kann noch ein, zwei Stufen weitergehen. „Es gibt auch Leute, die schlagen vor Wut mit der Faust auf die Motorhaube und aufs Dach meines Wagens.“ Eine weitere Variante: Waldbesucher denken erst gar nicht daran, die Forst-Fahrzeuge vorbeizulassen, sondern nötigen sie, im Schritttempo dahinter zu bleiben. „Das behindert unsere Arbeit sehr, wenn wir nicht vorbeikönnen.“ Lässt sich Ulrich in so einem Fall dann doch einmal auf eine Diskussion ein, trifft er meist auf wenig Verständnis. Nicht selten droht die Situation noch weiter zu eskalieren. Wenn er dann gar nicht mehr beruhigend einwirken kann, greift er zum Handy und kündigt an, die Polizei zu rufen. „In der Regel beeindruckt das die Aggressoren. Sie werden sanfter und scheinen zu merken, dass sie im Unrecht und zu weit gegangen sind.“ Glücklicherweise habe er bis heute den Not- ruf noch nicht wählen müssen.

Ähnliche Erfahrungen machen laut Ulrich alle der elf Revierleiter rund um Nürnberg. So geballt wie er bekommt es aber keiner ab. „Das liegt daran, dass das Revier so nahe an der Großstadt Nürnberg liegt.“ Doch worüber regen sich die Leute auf? Es ist der Staub, besonders auf den Schotterwegen, den die Forstfahrzeuge hinter sich herziehen. Wolken, die sich über Wanderer, Jogger und Radler legen, die überholt werden. „Das ist tatsächlich schwierig. Wenn es trocken ist, wirbelt es den Staub auf. Das lässt sich nicht vermeiden, auch wenn wir nur 20 Kilo- meter pro Stunde fahren“, erklärt Johannes Wurm, Leiter des Forstbetriebs Nürnberg.

Hinzu kommt: Die staatlichen Förster haben im Reichswald derzeit alle Hände voll zu tun. Es wird derzeit unter Hochdruck viel mehr abgeholzt und die Stämme zu Sammel- stellen transportiert als üblich. Hintergrund sind die zurückliegenden drei Dürrejahre. Die Hitze und der Mangel an Regen haben es Schädlingen wie dem Borkenkäfer leicht- gemacht, schwächelndes Gehölz zu befallen. Das aber muss laut Wurm baldmöglichst gefällt werden, um eine „Massenvermehrung der Schädlinge zu vermeiden“. Auch deswegen schlägt den Forstarbeitern oft Wut und Unverständnis von Waldbesuchern entgegen. Auch das Mail-Post- fach quillt stets über mit Beschwer- den, die in diese Richtung gehen.

„Die Schäden an den Kiefern und Fichten sind für den Laien nicht erkennbar. Der befallene Baum wirkt auf den ersten Blick gesund.“ Doch wer genau hinschaut, so der Forstbetriebs-Chef, kann die bräunliche Verfärbung in den Kronen sehen. Nimmt man Rinde von einem befallenen Stamm ab, dann rieselt einem auch das typische Bohrmehl entgegen, das der Borkenkäfer hinterlässt.

„Uns wird dann manchmal Geld- gier vorgeworfen, wir würden nur deshalb so viele Bäume fällen, um Profit machen zu können. Das stimmt aber nicht. Es geht uns ein- fach darum, weitere Schäden zu vermeiden“, versichert Wurm.

Allerdings werde dem Forstbetrieb auch einiges in die Schuhe geschoben, wofür er gar nichts könne. „Im Reichswald gibt es zahlreiche Baustellen, die einen enormen Lastverkehr mit sich bringen.“ So werden aktuell Autobahnbrücken im Bereich Nürnberg-Fischbach gebaut. Oder: Die N-Ergie tauscht derzeit eine Versorgungsleitung am Hochbehälter Haidberg nördlich von Nürnberg aus. „Durch den massiven Baustellenverkehr werden Wege im Wald kaputt gefahren.“ Dass aber auch die großen Harvester, das sind spezielle Holz- ernte-Maschinen des Forstbetriebs, deutliche Spuren im Reichswald hinterlassen, will Johannes Wurm nicht verschweigen. „Auch durch unsere schweren Forstmaschinen leiden die Wege und Pfade im Reichswald.“