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Das Kreuz mit der Otter

Im Grunde ihres Herzens scheu: die Kreuzotter (Bild: Robert Mertl)

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Schlangen sind seit der Sache mit Eva und dem Apfel unbeliebt. Nach der überlieferten Geschichte ging das von der Schlange initiierte Geschäft  gründlich daneben. Die von Eva kühl kalkulierte Win-Win-Situation blieb aus, der von der Schlange versprochene Wissenstransfer erwies sich als heiße Luft. Die Folgen waren verheerend: Der Schlange wurde aufgebrummt, sich von nun an und für alle Zeiten kriechend fortzubewegen. Anweisung von ganz oben, wie man hört. Für Eva war die unmittelbare Folge ein ziemlich grantiger Ehemann, der einen Umzug zu organisieren hatte. Mit der Kündigung des Wohnraums im Garten Eden ging einher die Einführung von Arbeit zum Broterwerb und – für manche bis heute am schlimmsten - lästiges Schamgefühl.

Klar war aber auch: die Folgen des Sündenfalls belasten bis zum heutigen Tag das bilaterale Verhältnis zwischen Mensch und Schlange. Jedenfalls wurden seither weitere Essenseinladungen der Reptilien – falls es solche überhaupt gab - von den Menschen konsequent ignoriert. Die Schlangen selbst zogen sich schmollend ins Unterholz zurück, wo sie am liebsten nur ihre Ruhe wollen. Das viele Kriechen auf dem Bauch hat die Schlangen geprägt: Sie gelten als empfindsam und als vorsichtig. Nur wenn man ihr zu sehr auf die Pelle rückt, können sie richtig giftig werden. Und selbst das trifft hierzulande nur auf eine einzige Schlange zu: die Kreuzotter.

Einzige Giftschlange Deutschlands

Sie ist – abgesehen von der Aspisviper, die im Schwarzwald in kleinen Beständen vorkommt - die einzige Giftschlange Deutschlands. Ihr Gift setzt sie nur zur Jagd oder zur Verteidigung ein. Gefährlich wird die Kreuzotter für uns Menschen eigentlich nur, wenn sie in die Enge getrieben wird. Dem beugt die Schlange normalerweise mit ihrem hervorragenden Geruchssinn vor: Kaum kommt was Größeres - z.B. ein verschwitzter Wanderer - des Wegs daher, geben sie auch schon Fersengeld. Aber wen wundert’s: Seit dem letzten größeren Streit kriechen sie auf dem Bauch.  

Hauptverbreitungsgebiet seit der Vertreibung aus dem Garten Eden ist eine Vielzahl von europäischen Ländern: Von Griechenland bis Lappland, von Frankreich bis in die Mongolei hat die Kreuzotter ihren Lebensraum. Sie ist die einzige Schlangenart, die auch nördlich des Polarkreises angetroffen werden kann. Mit einer Länge von selten mehr als 80 Zentimetern wird die Schlange etwa 15 Jahre alt. Mittlerweile ist die Kreuzotter eine stark gefährdete Art und steht unter Schutz.

Begegnungen zwischen Menschen und Kreuzottern sind selten. Das liegt nicht nur am mangelnden gegenseitigen Interesse, sondern vor allem daran, dass die Anzahl der Tiere mittlerweile stark zurück gegangen ist. Ihre Lebensräume haben durch die Eingriffe des Menschen in die Natur stark abgenommen.

Ein Platz an der Sonne

Kreuzottern besiedeln gerne relativ kühle und feuchte Gebiete. Waldränder, Lichtungen, Feuchtwiesen und Moore. Der rote Faden, der diese doch recht unterschiedlichen Orte verbindet, ist das Licht: Die Kreuzotter liegt täglich gerne ein paar Stunden auf der faulen Haut und lässt sich die Sonne auf den Rücken scheinen. Braun wird sie allerdings dabei nicht, außer sie sind es schon. Gerade bei Kreuzottern ist die Bandbreite möglicher Farben recht groß. Von Schwarz über alle möglichen Braunschattierungen über Rottöne bis hin zur leichten Gelbfärbung finden sich alle Abstufungen. Allen gemeinsam ist das Zickzack-Band am Rücken, das – je nach Farbe der Schlange – unterschiedlich gut sichtbar ist. Ihren Namen hat die Kreuzotter übrigens von der X-fömigen Zeichnung auf ihrem Hinterkopf, die – zumindest bei manchen Exemplaren – an ein Kreuz erinnert.

Moore als Lebensraum für die Kreuzotter

Allein auf den Flächen der Bayerischen Staatsforsten gibt es mit den vorhandenen 10.000 Hektar Moor viel potentiellen Lebensraum für die Kreuzotter. Viele dieser Gebiete wurden in den letzten Jahrhunderten für den Torfabbau entwässert und unwiederbringlich zerstört. Die Bayerischen Staatsforsten haben es sich zum Ziel gesetzt, noch bestehende Moore zu schützen und zu erhalten sowie beschädigte Moore – soweit das möglich ist – zu renaturieren. So geschehen in der Torfmoorhölle im Fichtelgebirge. Dort lebt eine große, überregional bedeutsame Population der Kreuzotter.

Bereits seit einigen Jahren betreiben die Bayerischen Staatsforsten in diesem Gebiet zusammen mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt ein Artenhilfsprogramm. Untersuchungen zeigen mittlerweile den Erfolg des Programms: Seit 2004 hat sich der Bestand von neun Tieren auf dreißig mehr als verdreifacht, darunter viele Jungtiere. Das Programm wurde 2008 auf oberbayerische Gebiete ausgedehnt. In den trockenen Nadelwäldern der Münchner Schotterebene und in den Isarauen zwischen Schäfflarn und Ascholding wurden durch eine Reihe von Maßnahmen gute Erfolge erzielt: In den Wäldern wurden lichte, sonnige Baumstrukturen gefördert, an Forststraßen offene Wegränder erhalten und an Waldrändern Buchten geschaffen.

Der Erhalt von Feuchtwiesen  und das Anlegen kleiner Tümpel, wie zum Beispiel in der Torfmoorhölle geschehen, haben sich als richtige Maßnahmen erwiesen. Nicht nur für die Kreuzotter ist das eine ideale Umgebung, auch Grasfrosch und Waldeidechsen, beides bevorzugte Beutetiere der Schlangen, haben das Moorgebiet für sich entdeckt.

Gefährliches Gift: die Menge macht’s

Die Kreuzotter tötet ihre Beutetiere durch Gift. Mäuse und Frösche, Blindschleichen und kleine Nager sterben kurze Zeit nach dem Biss und werden von der Schlange im Ganzen verschlungen. Das Gift ist relativ stark, allerdings hat die Kreuzotter einen sehr geringen Giftvorrat in ihren Giftdrüsen. Das ist auch der Grund, warum seit 1959 kein einziger Todesfall beim Menschen ursächlich auf den Biss einer Kreuzotter zurückgeführt werden konnte. Gelegentlich scheint genau diese Tatsache zu einem gewissen Übermut zu verführen, wie kürzlich bei einem Bergwanderer im Chiemgau, der versuchte, eine Kreuzotter zu streicheln. Es kam wie es kommen musste: Die Schlange bekam den Annäherungsversuch in den falschen Hals und biss gleich viermal zu. Einen Kreislaufkollaps und zwei Nächte im Krankenhaus später hatte der Wanderer auf schmerzliche Art gelernt, dass Kontaktaufnahmen mit Schlangen oft böse enden. Eine Weisheit, die seit den Zeiten von Adam und Eva bekannt sein sollte.