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Auf dem besten Holzweg

Rund 5,0 Millionen Festmeter Holz verkaufen die Bayerischen

Staatsforsten jedes Jahr. Eine solche Menge zu produzieren

und zuverlässig beim Kunden abzuliefern ist eine echte Mammutaufgabe.

Ein Fall für die neue Logistikabteilung.

5,0 Millionen Festmeter Holz. Gemessen in Waggon-Ladungen ist das ein Zug mit gut 1 800 Kilometern Länge – von München nach Flensburg und wieder zurück. Diese Menge ernten die Bayerischen Staatsforsten jedes Jahr in den rund 720 000 Hektar Wald – das ist etwa ein Drittel der gesamten bayerischen Waldflächen. Kein leichtes Unterfangen. Deswegen begnügten sich die Staatsforsten bis vor wenigen Jahren noch damit, das Holz an den Rändern der Waldwege bereitzustellen. Abgeholt hat es der Kunde selbst. Doch seit 2006 setzen die Staatsforsten zunehmend auf Lieferung frei Werk. Das klingt eher nach noch mehr Arbeit. Ist es auch. Aber dank moderner Logistik ergeben sich dadurch enorme Vorteile, wie Martin Müller weiß, der Leiter der neuen Bayerischen Staatsforsten-Logistikabteilung: „Bessere Holzqualität, weniger Umweltbelastung und bei alldem sparen wir aber viel Fahrerei und Schreibarbeit.“   

Am Anfang steht der hiebsreife Baum. Wurde er früher noch ausschließlich durch Forstarbeiter mit Motorsägen geschlagen, übernehmen heute in rund 50 % der Fälle – wenn das Waldgebiet befahrbar ist – Harvester, also Holzerntemaschinen, diese Aufgabe. Sie vermessen den Baum noch während sie ihn automatisch entasten und speisen die Daten in den Bordcomputer. So können die Forstleute stets kontrollieren, wie weit sie mit einem Ernteauftrag sind. „Forwarder“ genannte Tragschlepper bringen die Stämme an den Rand des Waldweges, wo sie in Poltern aufgehäuft werden. Sobald eine bestimmte Holzmenge erreicht ist, bekommt der Polter ein Etikett mit einem Barcode angeheftet, so dass er eindeutig zu identifizieren ist. Der Standort wird per GIS digital erfasst und an ein Speditionsunternehmen übermittelt, das den Holzstoß im Auftrag der Staatsforsten abholt und zum Kunden bringt.

Vor Ankunft des Transporters kommt jedoch in einigen Fällen noch das so genannte Dralle-Mobil zum Einsatz: ein Jeep mit einem Stereo-Kamera-System auf dem Dach, sScale genannt. Er fährt langsam an dem Polter vorbei, macht hochauflösende Bilder von dem Holz und ermittelt die bislang grob erfassten Holzdaten zentimetergenau. Daten wie Baumart, Zahl der Stämme, mittlerer Durchmesser und Gesamtvolumen des Polters sowie ein Bilddokument werden an einen zentralen Server gesendet und archiviert.

Ob von sScale erfasst oder nicht, liefert der Spediteur das Holz an den Kunden aus und meldet dies den Staatsforsten per Lieferschein. Im Sägewerk wird das Holz dann mit Lasertechnik erneut genau vermessen. Der Kunde übermittelt die Daten an eine Schnittstelle namens ELDAT und sendet die entsprechende Gutschrift an die Staatsforsten. Diese können die vergütete Holzmenge gegebenenfalls mit der sScale-Stichprobe vergleichen. „Wir vertrauen unseren Kunden“, sagt Martin Müller, „aber Kontrolle ist natürlich besser.“ Auch beim Spediteur: Er weiß natürlich genauso wenig, ob die übernommene Ladung per sScale vermessen wurde oder nicht. Kontrolle ist aber nicht das Entscheidende an der Logistik, sondern die Tatsache, dass es heute vom Hieb eines Baumes bis zur Bezahlung in der Regel nur noch halb so lang dauert wie früher, als sich der ganze Vorgang länger hinstrecken konnte. „Zeit ist Geld“, sagt Müller. Die schnellere Abwicklung bedeutet nämlich nicht nur einen Zinsgewinn, sondern auch, dass man höhere Preise erzielen kann: Ein Festmeter gutes Holz bringt derzeit durchschnittlich 65 bis 75 Euro, wobei die Holzernte bis zu 20 Euro kostet und beispielsweise eine ausgewachsene Fichte 1,5 bis 2 Festmeter liefert. Wenn Stämme oft Wochen oder sogar Monate am Waldweg liegen, bis sie zum Kunden gelangen, leidet die Qualität – und damit der Preis. Bei warmen Temperaturen müsste das Holz als ultima ratio mit Insektiziden eingesprüht werden. Davon brauchen die Waldarbeiter heute deutlich weniger, weil es sehr schnell abtransportiert wird. So profitiert also auch die Umwelt von der Logistik.

Was die Arbeit als solches jedoch am meisten vereinfacht, ist das Computerprogramm FORIS-Log mit seiner Schnittstelle ELDAT: Früher mussten die Mitarbeiter der Staatsforsten die Bäume nach dem Hieb per Hand vermessen und die Daten in Listen eintragen. Dann mussten sie sich am Forstweg mit Vertretern der Sägewerke treffen, um die Ware zu begutachten; der Kunde traf seine Wahl, die erneut in Listen fest gehalten wurde, und beauftragte selbst den Abtransport. Die Forstleute übermittelten derweil die Listendaten an das Betriebsbüro, von wo aus dann eine Vorabrechnung an den Kunden ging. Damit war die Arbeit aber noch nicht zu Ende: Um dem Spediteur den Weg zum richtigen Polter zu weisen, mussten die Förster oftmals erneut an den Polter. Und wenn die Ware schließlich am Sägewerk ankam, wurde sie erst dort mit Hightech genau vermessen, die Daten an die Staatsforsten geschickt, so dass erst dann die präzise Abschlussrechnung gestellt werden konnte. Alles in allem eine echte Geduldsprobe und jetzt zunehmend Geschichte.

Von Jan Berndorff

GLOSSAR

ELDAT: Abkürzung für „Elektronischer Datenaustausch Holzdaten“.
Dieser 2002 veröffentlichte, bundeseinheitliche Schnittstellenstandard schließt die Prozesskette zwischen Waldbesitzer, Holztransporteur und Abnehmer. Nach diesem Standard können alle notwendigen Informationen zwischen den Prozessbeteiligten ausgetauscht werden: Holzdaten, Werksdaten, Rechnungsdaten, Vertragsdaten, Lieferanzeigen.

FORIS-Log: Logistikprogramm auf Basis des weit verbreiteten Datenverarbeitungssystems SAP. Es ist kompatibel mit Eldat.

GIS: Abkürzung für geografisches Informationssystem. GIS kombiniert satellitengestützte Positionsbestimmungen (GPSdaten) mit geographischen Angaben, also im Forst zum Beispiel Geländestruktur, Baumarten und Flächengrenzen.

Polter: Sammelplatz für Holzstämme, die zur Abholung bereitgestellt werden.

sScale: Von der dänischen Firma Dralle erfundenes System aus zwei hochauflösenden Kameras, die in Bewegung aus leicht verschiedenen Winkeln mehrere Bilder hintereinander von einem Polter schießen und in einen zentralen Server einspeisen. Der Computer berechnet anhand der Bilder die genauen Maße des Holzes.