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BaySF_Magazin10_Waldjagd

Bergwälder - eine hohe Herausforderung Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Zustand der Bergschutzwälder in Bay- ern ein? Es zeigen sich drei markante Bilder: Erstens: Standortgerechte Mischwälder mit stufigem Aufbau und üppiger Ver­ jüngung. Waldwirtschaft ist hier möglich und sinnvoll, um die Schutzwirkung zu erhalten oder gar zu verbessern. Diese Wälder finden wir im mittleren Bereich der Alpen, etwa um Oberammergau. Die Ausgangslage dort war günstig: Holz wurde von der örtlichen Bevölkerung im- mer schon nachhaltig genutzt, und die Wilddichten waren bis zum Beginn der Hof- jagd gering. Nachweislich ist dort seit  150 Jahren keine Pflanzen- oder Tierart durch Forstwirtschaft verschwunden. Hierzu gehören auch die etwas schwieri- geren Waldbestände mit weniger Misch- baumarten, wie sie infolge einer Bewei- dung mit Ziegen, Wildverbiss oder Salinen- wirtschaft vorkommen. In den östlichen Teilen der Bayerischen Alpen und im All- gäu sehen wir häufiger derartige Bestän- de. Hier muss gezielt gepflegt und auch einiges gepflanzt werden. Zweitens: Fichtenreinbestände aus frü- heren Kahlschlägen mit starkem Humus- verlust im Umfang von rund 30 000 Hekt- ar alleine im Staatswald. Im Schutz der teilweise labilen Fichten kann immer noch ein stabiler Bergmischwald nach­ gezogen werden. Samen von Bergahor- nen und Weißtannen fliegen zwar von selbst ein, es muss jedoch regelmäßig gepflanzt oder gesät werden. Drittens: Sich auflösende Bestände in steilen, zum Teil unerschlossenen Lagen. Diese als Sanierungsflächen bezeichne- ten Orte bedürfen höchster Aufmerksam- keit. Rund 13 000 Hektar sind davon betroffen. Sie müssen mühsam und sehr teuer wieder bewaldet werden. Vordring- lich ist es, wieder Humus aufzubauen, indem totes Holz belassen und extra ge- fällte Fichten am Ort verbleiben. Wenn hier die Wildstände nicht angepasst und die Bäumchen gefressen werden, war alles umsonst. Es darf nicht soweit kommen, dass wir am Ende bei der Sanierung nur noch auf Stahl und Beton zurückgreifen können. Ich bin aber optimistisch, denn die Bayerischen Staatsforsten stecken viel Aufwand in den Erhalt unserer Bergwälder! Auf welchem Niveau sollte sich der Wildbestand einpendeln, um die natürliche Verjüngung der Bergwälder zu garantieren? Der Wald zeigt, ob die Wilddichte in Ordnung ist. Wenn die unverzichtbare Charakterbaumart unserer alpinen Bergmischwälder, die Weißtanne, ohne Schutz­­maßnahmen aufwachsen kann, ist der Wildstand verträglich. Wächst un- geschützt sogar noch die Eibe, dann ist die Welt in bester Ordnung. An wenigen Orten im Bergwald lässt sich genau dies beobachten. Was kann man Wanderern entgegnen, die darüber klagen, dass sie nicht mehr so viele Gämsen sehen wie früher? Zu hohe Gamsbestände stehen dem Ziel, intakte Schutzwälder zu erhalten oder zu schaffen, entgegen. Wald kann uns alle nur schützen, wenn laufend kleine Bäum- chen nachwachsen. Diese Bäume halten Boden und Schnee fest. Junge Bäume wer- den jedoch von Gämsen gefressen. Ge­ rade unterhalb der Baumgrenze müssen daher laufend Gämsen geschossen wer- den. Oberhalb der Baumgrenze besteht die Notwendigkeit der scharfen Jagd nicht. Abgesehen davon: Die Natur kennt keine Schutzwälder. Das zeigen Bergwäl­ der in unberührten Gebieten, etwa in Alaska, sehr deutlich: Massive Lawinen sind dort an der Tagesordnung. Der ent- scheidende Unterschied ist jedoch: Dort leben kaum Menschen. Genau genom- men ist das Ergebnis eine Güterabwägung zugunsten menschlicher Werte. Wenn wir die Schutzfunktion dauerhaft aufrecht erhalten wollen, müssen wir jagen. Wird der Klimawandel die Bedeutung der Schutzwälder beeinflussen? Ja, der Klimawandel tut das bereits heute: Baumarten tieferer Lagen besiedeln hö- here. Die Buche verjüngt sich erfreulich. Reine Buchenwälder in steilen Berglagen sind aber risikoreich, da auf dem glatten Buchenlaub Schneemassen rasch ab- wärts gleiten und Waldlawinen entstehen können. Die Weißtanne im Bergwald pro- fitiert zwar auch von höheren Tempera­tu­ ren, sie wird aber deutlich sichtbar vom Wild herausgeäst. Möglicherweise geht die Zirbe verloren, da sie Wärme und Feuchte nicht gut verträgt. Die Fichte wird durch den Klimawandel geschwächt, weil Insek- ten bei steigenden Temperaturen aktiver werden; Waldbrände können auftreten. Eine ganz neu erforschte Beobachtung ist der schwindende Humus infolge steigen- der Temperaturen. Weniger Humus bedeu- tet weniger Wasserspeicher, steigendes Hochwasserrisiko und Austrocknung der Böden. Ein Teufelskreis im Bergwald. Wenn Förster und Jäger zusammenhelfen, können die kritischen Bestände zu einem wertvollen, uns schützenden Bergwald entwickelt werden. D R .  M A N F R E D S C H Ö L C H ist Professor für Waldbau an der Hochschule Weihenstephan- Triesdorf. Als Experte für den Umbau der bayerischen Wälder bildet er Förster und Revierleiter aus und setzt seine Forschungs­ergebnisse mit den Praktikern vor Ort um. Waldjagd 49 S C H U T Z W A L D

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