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BaySF_Magazin10_Waldjagd

Übergang vom Sammler und Jäger zum Ackerbauern und Vieh- halter: Der Mensch lernte, Tiere zu domestizieren und konnte dadurch sesshaft werden. Er war zum Überleben nicht mehr auf den jagdlichen Erfolg angewiesen. Dieser Prozess begann an Euphrat und Tigris vor rund 13 000 Jahren und erreichte Süd- und Mitteleuropa vor rund 8 000 Jahren. Ab diesem Zeitpunkt war die Jagd „eigentlich“ nur noch nötig, um sich, die Seinen, die Nutztiere und die Äcker vor Schäden durch Wildtiere zu bewahren. Aber merkwürdigerweise verlor die Jagd dadurch nicht an kulturellem Wert. Wieso? Sie war Zeichen von Organisationsvermögen. Und sie galt als „Übungsfeld“ junger Menschen zum Erlernen der Dinge, die sie zur Ausübung einer verantwortlichen Position in der Gesell- schaft brauchten. Dazu gehörten „Teamwork“, das schnelle Erfassen und Beurteilen komplexer Situationen in der Natur, die richtige Entscheidung und schnelle Durchführung dieser Entscheidung sowie last but not least die körperliche Ertüch- tigung. In dieser ersten Periode der Jagd herrschte in unserem Kulturbereich das „Recht des freien Tierfangs“ für alle. Was geschah dann? Die Karolinger begannen, große Waldgebiete zu inforestieren (A. d. R.: zu Bannforsten erklären), um ungestört jagen zu kön- nen. Damit setzte die zweite Periode der Jagd, die „Inforesta- tion“, ein. Die damaligen Bannforste sind der Grund, warum wir heute in Deutschland noch so große zusammenhängende Waldgebiete haben. Die Jagd als Ursprung des Waldschutzes? Das ist eine These, die den typischen deutschen Tier- und Umwelt- schützer erstaunen dürfte. Der Schutz des Waldes ist eine viel ältere Idee, als viele heute glauben. Karl der Große setzte „forestarii“ ein. Sie hatten für das Wild und für den Lebensraum des Wildes zu sorgen.
Ab dem 12. Jahrhundert wurde das Jagdrecht zu einem „Regal“ der Territorialherren. Wir sprechen deswegen von der „Rega- lität“, der nunmehr dritten Periode der Jagd. Der hohe Adel beanspruchte für sich die Jagd auf das für ihn besonders in­ teressante Wild. So entstand die noch heute geläufige Tren- nung von Hochwild und Niederwild. Als Hochwild galten etwa das Rotwild, das Auerwild, das Schwarzwild. Der niedere Adel erhielt die niedere Jagd und durfte etwa Rehwild, Hase, Dachs und Fuchs erlegen. Das Jagdrecht der Bauern beschränkte sich auf den Fang von Vögeln. Gerade weil die Jagd nun recht- lich nur noch einer kleinen mächtigen Gruppe vorbehalten war, konnte sie sich immer weiter verfeinern, man denke nur an die prachtvollen barocken Jagdschlösser. Gerecht war die Epoche der Regalität aber kaum. Das stimmt. Die Bauern mussten bei der Jagd helfen, oft auch in der Erntezeit. Mehr noch litten die Bauern darunter, dass sie nicht verhindern durften, dass das Wild auf ihren Feldern äste und Ernteschäden verursachte. So wurde das Jagdrecht zu einem der Auslöser für die 1848 er Revolution. Wirklich? Tatsächlich steigerten Missernten, Preisanstiege und daraus resultierende Hungersnöte die Wut auf den Adel immer weiter. Die Versammlung in der Frankfurter Paulskirche beriet in meh- reren Sitzungen und verkündete die Abschaffung des Jagdre- gals. Die Jagd auf fremdem Grund und Boden war nun verboten, Jagdrecht wurde an Landbesitz gebunden, die Jagd galt als Menschenrecht. Jeder durfte jagen, wenn er nur ein paar Quadratmeter Acker besaß? Ja, es kam zu einer kurzen Phase der Jagd, in der zu viel Wild erlegt wurde. Deswegen wurde teils schon ab 1849 das Jagdrecht vom Jagdaus- übungsrecht getrennt. Die Ausübung des Jagdrechts war nur möglich, wenn man über eine bestimmte Mindestfläche verfügte. Das ist die Grundlage für das „Reviersystem“, das die vierte Periode der Jagd prägt, die bis heute anhält. Was genau heißt Reviersystem? Im Reviersystem wird die Jagd mit der Verantwortung für die Lebensräume der Tiere verknüpft, den Jagdausübenden obliegt auch die Hege. Im Lizenzsystem, das in vielen Ländern praktiziert wird, werden an Jäger der Zeit oder Zahl nach begrenzte Genehmigungen zum Erlegen von genau bestimmtem Wild vergeben.

 Das heute gültige Jagdgesetz beruht auf dem Reichsjagdgesetz von 1934. Gegner der Jagd sprechen von einem „Nazi-Gesetz“. Das ist so nicht richtig: Das preußische Jagdgesetz, das auf dem modernen sächsischen und thüringischen Jagdgesetz der 1920 er-Jahre fußte und schon lange vor dem NS-Regime in Vorbereitung war, wurde für das gesamte Reich verbindlich und damit Reichsjagdgesetz. Es wurde eine einheitliche Jägerprü- fung festgeschrieben, der Abschussplan für Schalenwild und das Verbot des Schrotschusses auf Schalenwild. Übrigens stammt das Reichsnaturschutzge- setz aus derselben Zeit. Das ist nur ein weiteres Beispiel dafür, dass man nicht vorschnell über die Jagd urteilen sollte. Es lohnt sich, bei der Geschichte der Jagd genau hinzublicken. Warum ist dieser Blick so wichtig? Die Jagd wurde immer von gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Gegebenheiten geprägt. So wie die Jagd im Gefolge von 1848 demokratisiert wurde, müssen die Jäger heute eine Antwort finden auf die Kritik an der Jagd. Die Jäger müssen der nichtjagenden Bevölkerung auf Augenhöhe erklären, wie notwendig die Jagd ist und dass sie ein menschliches Kulturgut ist, das es zu bewahren gilt. Nur wenn wir wissen, woher wir kommen, können wir begreifen, wo wir stehen, und können verantwortlich entscheiden, wohin wir gehen wollen.

 Wilderer (hier der legendäre Matthias Klostermayr) genossen einst als Rebellen gegen die Obrigkeit einen guten Ruf. Das wäre heute anders. Die Jagd wird heute kaum mehr als Willkür empfunden; sie hat sich demokratisiert. Im modernen Reviersystem schützt der Jäger den Lebensraum des Tieres. Waldjagd 37 J A G D R E C H T

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