Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

BaySF_Magazin10_Waldjagd

SSonnenaufgang – In einer halben Stunde wird die Sonne über den Gipfeln gleißen. Mit einem bunten Schimmer kündigt sie sich bereits unter einer Wolkenbank an. Aber noch reihen sich der Kaiser und die Loferer Steinberge in dunklem Violett vor dem Jäger auf. Im Tal glänzt die Ache wie ein Streifen Silberfolie. Christian Schweiger schultert die Kraxe und die leichte Kipplaufbüchse und macht sich auf den Weg. Der Bayerische Gebirgsschweißhund Branca zieht an der Leine, die Hündin will sich bewegen. „Mein Hund ist mein Jagdleiter“, sagt er und lacht, „wenn sie auf so eine bestimmte Art schnaubt, bin ich alarmiert.“ Gleich hinter dem Ende der Forststraße, wo Schweiger seinen Jeep geparkt hat, wird das Gelände steil und unwegsam. Einen richtigen Pfad gibt es nicht, nur einen kaum wahrnehmbarer Steig im steilen Lahner. Da muss man schon trittfest sein. Nach wenigen Minuten hat der Jäger die Sanierungsflächen erreicht. Am Stubeck Rücken wurden vor zehn Jahren Hunderte von Fichten, Latschen, Kiefern und Lärchen gepflanzt. Der schüttere Altbestand hatte sich nach und nach aufgelöst, nun wächst hier ein neuer Schutzwald heran. Stabilisiert durch Verbauungen kämpft er im Steil- hang gegen den Schneeschub. Einige der Holzböcke zeigen durch den vergangenen, schneereichen Winter deutliche Verfallsspuren. „Egal“, sagt Christian Schweiger, „die braucht es bald sowieso nimmer“. In ein paar Jahren wird der Wald den Lawinenschutz alleine übernommen haben. Unten in der Senke stehen mehrere Almhütten und ein Berggasthof. Sie sind unmit- telbar von potentiellen Lawinenabgängen bedroht. Bald wird sich das Vieh dort tum- meln – und die Sportler. Im Winter kommen an schönen Wochenenden bis zu tausend Skitourengeher am Tag herauf, im Sommer sind es die Bergsteiger und Mountainbiker. Aber noch ist es ruhig am Breitenstein, und hinter Christian Schweiger wird das Gip- felmassiv vom ersten Sonnenschein des Tages vergoldet. „Um diese Jahreszeit kannst du den Neubeginn in der Natur richtig riechen“, sagt er. Man spürt, wie gern der 45-jährige am Berg ist. „Es ist einfach schee, wennst da jagerst.“ Die zweite große Sanierungsfläche liegt in Sichtweite unterhalb des Geigelsteins. „Da kommst du nur über den Steig hin“, sagt Schweiger. Tiere, die er dort schießt, müssen weit transportiert werden. Auf dem Rücken. Ein Knochenjob. Aber Schweiger ist es gewöhnt. Seit 16 Jahren ist er Berufsjäger im Forstbetrieb Ruhpolding. Das bedeutet vor Sonnenaufgang aufstehen bei Wind und Wetter, bei Hitze und Kälte hinaus ins Revier. Im Winter erledigt er einen Großteil der Arbeit auf Skiern. Die Beute muss dann oft vor Ort im Schnee zerwirkt werden. Über die Reste freuen sich Kolkraben und Steinadler. Ein kräftiger Wind bläst aus dem Westen über den Kamm. Der Jäger drückt den Hut etwas tiefer ins Gesicht. „Im Gipfelbereich lassen wir die Gams stehen“, sagt er, „dort wird nicht geschossen.“ Wanderer sollen die Möglichkeit haben, die Tiere im Fels zu beobachten. In den anderen Zonen, vor allem unterhalb der Baumgrenze, muss der Gams konse- quent bejagt werden. Zu stark setzt er dem Bergwald zu. Gerade an den Südhängen, wo der Schnee früher schmilzt und wenig Humus auf den Böden liegt, halten sich die Tiere am liebsten auf. Hier war der Verbiss am schlimmsten. Früher, als die Abschussquoten noch niedrig waren, konnte man in den Regionen oberhalb der Wuhrstein-Alm manchmal 70 bis 80 Gämsen beobachten. Heute sieht man im Felsbereich noch zwei Gruppen mit jeweils ungefähr 20 Tieren, und trotzdem muss Schweiger mindestens einmal pro Woche heraufkommen. „Die Bejagung muss intensiv, aber tierschutzgerecht sein“, sagt er. Dabei geht es ihm, der Forstwirt gelernt hat, ehe er Berufsjäger wurde, noch nie um Trophäen, „der Maß- stab ist der Wald, ist die Vegetation“. Christian Schweiger gehört zu einer neuen Generation von Berufsjägern. Sein „Respekt vor der Kreatur“ ist gepaart mit einer Sorge um den Zustand des Waldes. Der Erfolg gibt ihm Recht. Schon viele Zäune konnten in seinem Gebiet abgebaut werden, die Verbissquote stimmt und die Verjüngung auch. Aber auch Schweiger ist auf die Mitarbeit von geeigneten privaten Jägern angewiesen. „Und die sind leider dünn gesät“, sagt er. Trotzdem finden der ruhige Mann und seine eifrige Hündin immer wieder die richtigen Mitstreiter. Und dann macht die Arbeit Freude. „Schließlich soll man sich beim Jagern wohlfühlen.“ Dem Bergwald kann das nur zugute kommen. Der Berufsjäger und sein Chef. Christian Schweiger und Paul Höglmüller bei einer Lagebesprechung vor Ort. Über die gemeinsamen Ziele ihrer Arbeit sind sich die beiden einig. „Die Bejagung muss intensiv, aber tierschutz­ gerecht sein. Der Maß­- stab ist der Wald, ist die Vegetation.“ C hristian S chweiger Waldjagd48 S C H U T Z W A L D

Pages