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BaySF_Magazin10_Waldjagd

DDr. Dr. Schwenk, wenn ich Sie richtig verstehe, stellen Sie die Gleichung auf: Jäger = Mensch. Demzufolge müssten an jedem Sonntag Millionen von Jägern in den Wald ziehen. Das passiert aber nicht. Die Leute gehen dort nur spazieren. Diese Gleichung wäre eine Vereinfachung, ich stelle sie so nicht auf. Ich weise darauf hin, dass die Jagd in der Entwicklung des modernen Menschen eine große Rolle gespielt hat. Das heißt aber noch lange nicht, dass heute jeder Mensch Jäger sein kann oder sollte. Um bei uns jagen zu können, bedarf es einer intensiven Ausbildung samt schwieriger Prüfung. Natürlich ist eine genaue Kenntnis der gesetzlich vorgeschriebenen Regeln wichtig. Und diese Regeln müssen selbstverständlich auch eingehalten werden. Klingt nach einem anspruchsvollen Hobby. Jagd heute ist in meinen Augen weder Hobby noch Sport, sondern Verantwor- tung gegenüber den wildlebenden Tieren, dem Lebensraum des Wildes und der Gesellschaft. Das verlangt hohes zeitliches und ideelles Engagement. Diese vielfältigen Anforderungen an den Jäger sind übrigens sicher auch ein Grund dafür, dass es im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in Deutschland nur sehr wenige Jäger gibt, rund 300 000 auf 81 Millionen Deutsche. Das ist, prozen­tual gesehen, weniger als etwa in Frankreich oder in Österreich. Angesichts solcher Zahlen ist kaum vorstellbar, dass – wie Sie behaup- ten – die Jagd am Ursprung der menschlichen Kultur stand. Um über menschliche Kultur als die Summe aller Qualitäten und Leistungen, die dem Tier nicht zu eigen sind, zu sprechen, müssen wir uns die Jahrmillionen dauernde Entwicklung vom Tier zum modernen Menschen vor Augen führen. Dieser lange Prozess nahm eine entscheidende Wendung, als der frühe Mensch vom Sammler – in den Savannen Afrikas – zum Sammler und Jäger wurde, weil er bei seiner Verbreitung in klimatisch ungünstigere Zonen den jagdlichen Erfolg brauchte, um zu überleben. Das erlegte Wild gab ihm Fleisch zur Nahrung, Häute und Felle zum Schutz gegen die Unbilden der Witterung, Knochen und Sehnen zum Anfertigen von Werkzeug und Waffen, Mägen und Blasen zum Transport von Flüssigkeiten. Doch jagdlicher Erfolg war nur möglich mit dem Einsatz spezieller Werkzeuge, Waffen, Fallen und Fangeinrichtungen. Es be- durfte gezielte auf die Zukunft gerichtete Planung, und genau das ist es doch, was den modernen Menschen vom Tier unterscheidet. Haben diese Lebensumstände den Menschen physiologisch geprägt? Ja, aus der modernen Gehirnforschung wissen wir, dass nicht nur die vermehr- te Proteinzufuhr, sondern auch die beim Vorgang des Jagens besonders bean- spruchten Gehirnregionen bei der Herausbildung des Gehirns des modernen Menschen eine große Rolle spielten. Die größte Aussicht auf Erfolg hatten die Jäger, wenn sie in einer Gruppe jagten. Dabei mussten sie sich durch Zurufe verständigen, das ist eine der Quellen der menschlichen Sprache. Wir vermuten außerdem, dass das gemeinschaftlich zur Strecke gebrachte Wild nach festen Regeln verteilt wurde. Wir haben Pfeil- und Lanzenspitzen mit individuellen Kennzeichnungen gefunden. Sie dienten wohl auch dazu, den Jäger ermitteln zu können, der den tödlichen Schuss oder Stich gesetzt hatte. Dieser Jäger wurde bei der Verteilung des Fleisches besonders berücksichtigt. Somit stand die Jagd auch an der Wiege des Rechts. Wann gab es die ersten Jagdgesetze? In den ab 500 aufgezeichneten „Volksrechten“, die vor allem zivilrechtliche Fragen klärten, finden wir auch die Jagd betreffende Regelungen. So wird zum Beispiel verfügt, dass derjenige, der einen „Meutehund“ stahl oder tötete, Ersatz zu leisten und eine bestimmte Bußzahlung zu entrichten hatte. Derjenige, der einen „Leithund“ stahl oder tötete, hatte neben dem Ersatz eine doppelt so hohe Buße zu zahlen, was Rückschlüsse auf den Wert der einzelnen Jagdhunde zulässt. War die Jagd zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch notwendig?

 Zumindest nicht mehr überlebensnotwendig. In der „Neolithischen Revolution“ – als Grenze der Jung- gegenüber der Alt- und Mittelsteinzeit – vollzog sich der Wenn’s Recht ist Wer darf jagen? Und wer bekommt das beste Stück von der Beute? Seit jeher haben sich die Menschen solche Fragen gestellt – und im Lauf der Jahrhunderte ganz unterschiedlich beant- wortet: vom Recht auf freien Tierfang für alle bis hin zum modernen Reviersystem. T E X T     J akob S chrenk D r . D r . S igrid S chwenk Leiterin der Forschungsstelle für Jagdkultur, zuletzt am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München, heute Lehrbeauftragte der Universität für Bodenkultur Wien, gilt als brillante Analytikerin der Wechselbeziehungen von Jagd und Gesellschaft im Wandel der Zeit. Waldjagd34 J A G D R E C H T

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