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BaySF_Magazin10_Waldjagd

Das Thema scheint Sie zu interessieren. Offensichtlich haben Sie sich aus Ihrer Kindheit nicht nur die Vorliebe für den Janker bewahrt. König Ludwig ist eine faszinierende Figur. Über die Umstände seines Todes zu spekulieren haben wir an dieser Stelle wohl nicht den nötigen Platz. Ich habe allerdings einmal einen Aufsatz über die merkwürdigen Umstände seiner Ent- mündigung geschrieben, die kurz vor seinem Tod durchgesetzt wurde. Dabei haben sich die Beteiligten über alle damals geltenden Vorschriften für Ent- mündigungen und freiheitsentziehende Maßnahmen hinweggesetzt. Das war ein Staatsstreich, der aber nicht, wie üblich, von Militärs durchgeführt wurde, sondern von Psychiatern. Hier an der Kapelle treffen sich übrigens einmal im Jahr die sogenannten „Königstreuen“ zum Gedenkgottesdienst. Ich gehe dort auch hin. Würden Sie sich denn als königstreu bezeichnen? Selbstverständlich! Ist das kein Widerspruch zu Ihren demokratischen Überzeugungen? Nein, kein Widerspruch. Was nicht besonders bayerisch war an Ludwig II.: Er liebte die Jagd nicht. Aber er war ein großer Naturliebhaber. Er hat sich schon damals, also hundert Jahre vor den Grünen, Gedanken darüber gemacht, wie die Industrialisierung die Umwelt gefährdet. Er war zum Beispiel ein großer Eisenbahnliebhaber und hatte auch einen eigenen Salonwagen, aber er schrieb auch, dass die Eisen- bahn und der Qualm der Fabrikschlote die Natur beeinträchtigen könnte, das war übrigens in einem Briefwechsel mit der Kaiserin Sissi. So gesehen war Ludwig II. ein früher Umweltschützer. Sie selbst sind ja 1990 bayerischer Umweltminister geworden. In der Umweltpolitik gab es damals einige Problemfelder, etwa die Müllver­ brennung und -trennung. Ich galt als entscheidungsfreudig und durchsetzungs- stark und bekam vor allem wegen dieser Qualitäten das Amt. Es hat mir aber dann viel Freude bereitet, ich habe jede Woche ein neues Naturschutzgebiet ausgewiesen. Der Beruf des Politikers gilt als äußerst anstrengend. Sie sind Mitglied des Bundestags, treten viel in der Öffentlichkeit auf, betreuen in Ihrer Anwaltskanzlei prominente Mandanten. Wie bewältigen Sie diesen Stress? Es ist einfach so: in der Ruhe liegt die Kraft, das gilt in jedem Beruf. Du musst im Kopf klar sein, du musst dir Zeit nehmen nachzudenken. Du darfst nicht Opfer von Propaganda werden, schon gar nicht Opfer deiner eigenen Propa- ganda. Und du sollst dich bemühen, kein Depp zu sein. Jeder Mensch braucht also eine Umgebung, die es ihm erlaubt, neudeutsch gesprochen, „wieder zu sich zu kommen“. Ich will niemandem Ratschläge geben. Aber für mich per­ sönlich ist diese Umgebung der Wald. Wie oft gehen Sie hier her? Eigentlich jeden Tag. Ich gehe abends spazieren mit meiner Frau. Übrigens die selbe Strecke, die wir jetzt gerade laufen, entweder unten am See oder etwas weiter oben im Wald. Wir haben ja schon über Hemingway als Jagdbeschreiber gesprochen. Hemingway hat auch gesagt: „Die Wälder waren Gottes erste Kathedralen.“ Schauen Sie doch hier mal die Stämme nach oben, wie sich die Bäume da in den Wipfel zusammentun. Das ist wirklich wie in einer Kirche. Sie sind ein Waldromantiker, Herr Gauweiler! Natürlich. Ist doch schön. Haben Sie je darüber nachgedacht, von München wegzuziehen? Undenkbar. Sie haben vier Kinder. Versuchen Sie, ihnen diese Liebe zur Heimat und zur Natur weiterzugeben? Natürlich! Aber man muss da auch vorsichtig sein. Ich habe mit meinem Vater immer sehr lange Wanderungen gemacht, von Großhadern nach Forst Kasten zum Beispiel. Heute wün- sche ich mir natürlich, ich wäre noch viel öfter mit meinem Vater mitgegangen. Damals habe ich mich manchmal gedrückt. Ich glaube, die Kinder müssen das durch sich selbst erfahren. Aber diesen Weg hier, den mögen alle meine Kinder. Das ist unser Familienweg. Aber ein Jäger wächst wohl in Ihrer Familie nicht heran? Wer weiß? Reh essen alle gern. Und mein Jüngster will jetzt den Fischereischein machen. Der renommierte Jurist Gauweiler hat nichts dagegen, wenn man ihn einen „Waldromantiker“ nennt. Seine Kontra- henten sollten jedoch daraus keine voreiligen Schlüsse ziehen. „In der Ruhe liegt die Kraft. Das gilt in jedem Beruf. Du musst im Kopf klar sein. Du musst Dir Zeit nehmen. Und – Du sollst dich bemühen, kein Depp zu sein!“ P E T E R G A U W E I L E R Waldjagd 33 I N T E R V I E W

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