Wasser im Wald: Der Fokus liegt auf Wasserrückhaltung
08. April 2023, Nordalben - Wie kann Wasser besser in unseren Wäldern als Schwammspeicher zurückgehalten werden statt nur über die anhaltende Trockenheit zu debattieren? Das stand im Mittelpunkt eines Seminars am 25. März 2023. Der Forstbetrieb Nordhalben der Bayerischen Staatsforsten hatte das Seminar gemeinsam mit der ANW und dem Ökologisch-Botanischen Garten an der Universität in Bayreuth organisiert. Mit dem Motto „Jeder Tropfen zählt“ begrüßte ANW-Vorsitzender Prof. Dr. Manfred Schölch die 140 Teilnehmer, die sowohl in Präsenz wie online am Seminar teilnahmen.
Forstbetriebsleiter Daniel Kraus führte durch das Seminar und resümierte am Ende: das Seminar habe viele Möglichkeiten aufgezeigt, wie Wasser länger in den Wäldern gehalten werden kann. Es sei klar geworden, dass dies angesichts der veränderten Niederschlagssituation dringend geboten sei. So können der klimabedingte Trockenstress und Borkenkäferkalamitäten abpuffert werden. Der Slogan „Temperatur beweg Wasser“ mache deutlich, wie wichtig die Kühlungsfunktion der Wälder für das Waldinnenklima, aber auch für die umgebende Landschaft sei. Kraus sah zwar nach wie vor Forschungsbedarf. Das dürfe jedoch nicht davon abhalten, schon jetzt erkennbare Ansätze, Wasser verstärkt in den Wäldern zu halten, in der Praxis umzusetzen.
Wasser und Landschaft
Zu Beginn erklärte Dr. Marius Floriancic von der ETH Zürich die Wasserflüsse im Ökosystem Wald. Überraschende Erkenntnisse aus seinem Projekt WaldLabor: Nur 22 % des Niederschlags gelangen in den Wurzelraum der Bäume, der größere Teil verteilt sich im Waldökosystem oder wird wieder an die Umgebung abgegeben. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Waldstreu und dem Totholz zu, wodurch Wasser zurückgehalten und die Evaporation aus dem Boden verringert wird. Günstig für den Wasserhaushalt sind unterschiedlich tief wurzelnde Baumarten.
Der Klimatologe Daniel Abel von der Universität Würzburg erläuterte Prognosen zur Niederschlags- und Temperaturentwicklung. Wasserknappheit in Mitteleuropa ist ein relativ neues Phänomen, es sind deshalb massive Vorbeugungs- und Anpassungsmaßnehmen nötig. Sein bissiger Kommentar zu den bisherigen Anstrengungen: "Die Menschheit hat es bisher immer geschafft, schlechter zu ein als das Worst-case-Szenario der Wissenschaftler."
Forstwirtschaft als Mikroklimamanagement: Wasser und Überhitzung
Prof. Dr. Pierre Ibisch von der Forstlichen Hochschule in Eberswalde referierte über die Kühlungsleistung von Wäldern, die darin nur von Gewässern und Feuchtgebieten übertroffen werden. Wenn die Verdunstungskühlung durch die Wälder fehlt, wird das die Austrocknung auf Landschaftsebene noch verschärfen. Auch das Räumen von Kalamitätsflächen trägt zur Überhitzung bei. Selbst Flächen mit abgestorbenen Fichten heizen sich deutlich weniger auf als geräumte Kalamitätsflächen.
Dass Totholz einen positiven Einfluss auf den Wasserhaushalt in Wäldern hat, bestätigte die polnische Professorin Anna Klamerus-Iwan von der Universität Krakau. Besonders das Totholz von Tanne und Aspe kann größere Mengen an Wasser aufnehmen, pro Kubikmeter Totholz können bis zu 55 Liter Wasser gebunden werden. Durch die anschließende Wasserabgabe kommt es zu Kühlungseffekten.
Größere Totholzmengen sind nach Einschätzung von Daniel Kraus wiederum auch nicht entscheidend für eine höhere Waldbrandgefahr. Gras, Jungwüchse oder Reißig sind als Brandbeschleuniger deutlich wirksamer, da sie eine vielfach größere Oberfläche im Verhältnis zu ihrem Volumen haben. Die Auswirkungen von Bränden auf den Waldboden sorgen für einen höheren Oberflächenabfluss und Erosion, weswegen ein flächiges Ablöschen mit Wasser als problematisch einzustufen ist. Vielmehr muss zukünftig die Eindämmung, also die Verhinderung der Ausbreitung im Fokus der Waldbrandbekämpfung stehen.
Der Störungsökologe Dr. Andreas von Hessberg von der Universität Bayreuth warb dafür, Störungen als positive Impulse zu sehen, auch wenn sie unseren „Wahrnehmung- und Vorstellungshorizonte“ überfordern. Allerdings könnten anthropogene Störungen minimiert werden. Er nannte dabei Waldränder, der heiße Luft aus dem Agrarland abbremsen, Windruhe durch Dreidimensionalität des Waldinnenraums, hohe Totholzmengen, ein Kronendach, welches sich schnell durch Vorausverjüngung wieder schließt oder schmale Forststraßen. Seine Empfehlung: „Dauerwald ist die bessere Alternative“.
Der Wasserrückhaltung in der Praxis waren zwei Beiträge am Ende des Seminars gewidmet. Revierleiterin Ellen Koller berichtete, wie sie in ihrem Revier im Forstbetrieb Ebrach (Steigerwald) mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen Wasser im Wald zurückhält. Mehr als 300 Feuchtbiotope mit einer Fläche von rund 26 Hektar wurden in den letzten zwei Jahren im Forstbetrieb neu angelegt. Es wurde der Bau von Rückhaltebecken im Wald intensiviert, um Wasser abzufangen bevor es in die Gräben an der Forststraße gelangt. Denselben Effekt haben auch häufige Wasserabschläge, welche Wasser aus den Straßengräben wieder in den Wald zu leiten. Eine Methode, um Nassböden für die Holzrückung ohne massive Störung des Wasserregimes zu befahren, hat Thomas Malzer entwickelt. Im Forstbetrieb Neureichenau lässt er mit sandig-grusigem Material aus dem Unterboden Rückewegen verfestigen, die auf dem organischen Weichboden „schwimmen“. Dadurch wird der Wasserfluss im Weichboden darunter nicht beeinträchtigt, unterirdische Wasserzüge bleiben erhalten und alte Bachbetten können renaturiert werden.