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Vergangenheit mit Zukunft – Hutanger der Hersbrucker Alb

Mulmhöhle in einer Eiche auf dem Kesselanger (Quelle: M.Gaham)

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Ein Biotopbaum mit Mulmhöhle ist der ideale Lebensraum für den Eremit. (Quelle LWF)

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Die Alteichen auf dem Kesselanger werden von den Unterwuchs verdrängt (Quelle: M. Gaham)

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Der Kesselanger ist so zugewachsen, dass er auf den ersten Blick wie ein "normaler Wald" aussieht (Quelle: M. Gaham)

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Der Peuerlinger Anger wurde bereits 2014 freigestellt und seitdem wieder beweidet (Quelle: M. Gaham)

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12. Januar 2024, Allersberg - Die Geschichte der Hutanger in der Hersbrucker Alb: Die alten Hutanger sind eine kulturhistorische und landschaftliche Besonderheit der Hersbrucker Alb. Der Begriff „Hutanger“ setzt sich zusammen aus „Hut“ = von hüten und Anger = althochdeutsch „Angar“ was so viel bedeutet ungepflegtes, wildes Grasland. Früher hatte fast jedes Dorf einen oder mehrere solcher Anger, die mit Frucht bringenden Bäumen wie Eichen oder Obstbäumen licht bewaldet waren. Die Hutanger waren gemeinschaftlich genutztes Eigentum der Dorfgemeinschaft, sogenannte Allmende. Der Dorfhirte hütete die Tiere der Bauern des Dorfes auf den Angern und brachte sie abends wieder zu ihren Besitzern zurück. So lieferten die Anger Futter für Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine oder sogar Gänse, Laub als Einstreu für den Stall, und auch Holz als Brenn- und Baustoff. Durch die Beweidung der Anger wurde das Aufwachsen von anderen Bäumen und Sträuchern verhindert, was lichtbedürftigen und seltenen Krautpflanzen zugute kam. Die vorhandenen Eichen wurden wegen ihrer verschiedenen Funktionen nicht gefällt und durften alt und dick werden. Mit der fortschreitenden Mechanisierung und Rationalisierung der Landwirtschaft wurde die Angerweide und das Hirtenwesen immer unwirtschaftlicher, bis es in den 1960er Jahren auch in den letzten Dörfern der Hersbrucker Alb aufgegeben wurde. Seitdem lagen viele Hutanger in einem Dornröschenschlaf, bis ihr Wert für den Naturschutz entdeckt wurde…

Bedeutung des Kesselangers für den Naturschutz

So erging es auch dem Kesselanger bei Engelthal. Der ehemalige Hutanger liegt etwa einen Kilometer Nord-Östlich des Dorfes Engelthal, oberhalb des Kruppacher Baches. Seine mächtigen 200 bis 300 jährigen Eichen zeugen von der ehemaligen Nutzung der Fläche als Hutanger. Dabei sieht die 2,5 Hektar große Fläche heute fast aus wie ein „normaler“ Wald. Das Kronendach ist dicht geschlossen, denn seitdem der Anger nicht mehr beweidet wurde sind von selbst zahlreiche Hainbuchen und Ahornbäume heran gewachsen. Sie drängen den alten, konkurrenzschwachen Eichen in die Kronen und verdrängen sie langsam. Dabei sind die Eichen etwas ganz Besonderes. In den meisten Wäldern gibt es nur wenige Bäume die so alt, dick, knorrig und faulig sind. Im Rahmen einer Projektarbeit wurden alle Bäume des Kesselangers untersucht und die Biotopbäume und Biotopstrukturen erfasst. Auf dem Anger gibt es 49 Biotopbäume und 13 stehende tote Bäume, die zusammen 131 Biotopstrukturen aufweisen. Das macht den Kesselanger so wertvoll für eine Vielzahl seltener und geschützter Waldbewohner. Ein Beispiel ist der Eremit (altgriechisch für „Einsiedler“), der den höchsten deutschen Schutzstatus „streng geschützt“ trägt. Er heißt so, weil er in großen Faulhöhlen in alten Laubbäumen lebt, der er so gut wie nie verlässt. Die Larven ernähren sich und leben von pilzinfiziertem Holz am Höhleninnrand und in braunem Pulver am Boden der Höhle. Dem sogenannten Mulm. Das Kaffeesatz ähnelnde Material darf nicht zu nass und nicht zu trocken sein, um dem Eremit als Lebensraum zu dienen. Der Biotopbaum muss also noch leben. Da sich die Käferart nur sehr eingeschränkt fortbewegen kann ist es sehr wichtig, dass auch über Jahrzehnte und Jahrhunderte genügend Mulmhöhlenbäume in einem Waldgebiet vorhanden sind. Es ist also wichtig, dass regelmäßig neue Biotopbäume entstehen und die alten nicht innerhalb kurzer Zeit absterben. Sonst würde der Eremit aus diesem Wald verschwinden.

Warum es sich lohnt den Kesselanger wieder zu beweiden

Die Entstehung der alten, mächtigen ökologisch wertvollen Eichen war nur durch die Weidenutzung als Hutanger möglich. Natürlicherweise hätten sich konkurrenzstärkere Buchen, Hainbuchen oder Ahornbäume auf der Fläche durchgesetzt. Es handelt sich bei dem Anger also nicht um einen natürlichen Zustand, sondern einen durch die Bewirtschaftung durch den Menschen geschaffenen Lebensraum. Um diesen wertvollen Lebensraum zu erhalten, ist es logisch diesen wieder so zu bewirtschaften, wie er entstanden ist – als Hutanger.

Hierfür muss ein Großteil des Unterholzes entfernt werden. Damit genug Licht für eine dichte Grasvegetation auf den Boden fällt. Alle Biotopbäume und auch das stehende Totholz wird natürlich belassen, auch wenn es sich nicht immer um Eichen handelt. Gleichzeitig profitieren die alten Eichen von dem Mehr an Licht. In Lücken zwischen den alten Bäumen können kleine Eichen nachgepflanzt werden. So wird sichergestellt, dass genügend neue Biotopeichen nachgeliefert werden und der Kesselanger auch in kommenden Jahrhunderten Heimat für seltene und geschützte Arten sein kann. Nach der Freistellung wird der Anger von Schafen und Ziegen beweidet. Diese extensive Form der Grünlandbewirtschaftung ist gut fürs die Tierwohl und schafft auf der Fläche ökologisch wertvolle, artenreiche Fettweidegesellschaften.

Das Naturschutzprojekt wird als besondere Gemeinwohlleistung vom Freistaat Bayern bezuschusst. Im Revier Hersbruck der Bayerischen Staatsforsten ist der Kesselanger nach dem Peuerlinger Anger bereits der zweite Hutanger, der durch die Freistellung und Beweidung erhalten und aufgewertet wird.