

Förster Bernhard Kraus und Forstanwärterin Sophie Parton an einem menschengemachten Hochstumpf, in dem der Schwarzspecht Höhlen angelegt hat.
1. Juli 2025, Fichtelberg – Regelmäßig bleiben bei Holzerntemaßnahmen im Staatswald Baumstümpfe stehen, die in 4 bis 6 Meter Höhe gekappt wurden. Bernhard Kraus, Förster am Forstbetrieb Fichtelberg, erklärt die Hintergründe.
Auf den ersten Blick wirken sie wie vergessene Baumstümpfe aus einem misslungenen Holzeinschlag: kahl, gebrochen, seltsam entrückt. Doch wer genauer hinsieht – oder besser: wer zuhört, beobachtet und versteht, der erkennt: Hochstümpfe sind lebendige Inseln inmitten des Waldes. Stehendes Totholz, das in Wahrheit voller Leben pulsiert.
Bernhard Kraus, Förster bei den Bayerischen Staatsforsten und zuständig für das Forstrevier Vordorf, steht inmitten eines lichten Fichtenwaldes am Westhang der Platte. Neben ihm ragt ein Hochstumpf in die Höhe – der Rest eines Baumes, der in gut vier Metern Höhe gekappt wurde. „Das sieht erstmal ruppig aus“, sagt Kraus und klopft auf die rissige Rinde, „aber für viele Arten ist genau das ein Zuhause, ein Lebensraum, der heute seltener wird.“
Gezielt geschaffen, um Vielfalt zu bewahren
Was früher meist zufällig durch Sturm oder Pilzbefall entstand, wird heute gezielt gefördert: Hochstümpfe werden aktiv mit dem Harvester erzeugt – als gezielte Maßnahme des Waldnaturschutzes. Der Baum wird nicht gefällt, sondern in drei bis fünf Metern Höhe gekappt. Was bleibt, ist ein mächtiger Stamm voller ökologischer Möglichkeiten.
„Schon nach einem Jahr sieht man, wie sich die ersten Kleinstrukturen entwickeln“, erklärt Sophie Parton, angehende Försterin am Forstbetrieb Fichtelberg, während sie mit dem Fernglas die Rinde eines Hochstumpfs absucht. „Rindenstücke lösen sich, darunter krabbeln Insekten, verstecken sich Fledermäuse oder picken Spechte nach Nahrung.“ Besonders die seltene Mopsfledermaus profitiert von diesen Strukturen – ebenso wie Buntspechte, Hohltauben, Käuze, Gartenschläfer oder Eichhörnchen, die Spalten im Stamm als Nahrungsdepot nutzen.
Ein Mikrokosmos für die Zukunft
Je älter und zersetzter ein Hochstumpf ist, desto mehr Leben beherbergt er. „Wir finden hier Buntkäfer, die sich von Borkenkäfern ernähren und damit sogar einen Beitrag zum Waldschutz leisten“, so Kraus. „Und das Beste: Es spielt kaum eine Rolle, ob der Stumpf von einer Fichte oder einer Buche stammt – entscheidend sind Anzahl, Verteilung und Alter.“
Die Bayerischen Staatsforsten sehen in Hochstümpfen ein wirkungsvolles Mittel, um gezielt Lebensräume zu schaffen – besonders in strukturarmen Waldbereichen. Das vom Freistaat Bayern geförderte Programm „Der Wald blüht auf“ unterstützt solche Maßnahmen aktiv. „Mit jedem Hochstumpf schaffen wir ein kleines Biotop, ein Trittstein für Insekten, Vögel und Fledermäuse – und letztlich für das große Ganze“, sagt Parton.
Ein stilles Versprechen inmitten des Waldes
Hochstümpfe sind keine Reste – sie sind Versprechen. Ein Zeichen dafür, dass auch scheinbar totes Holz Leben schenken kann. So entstehen auch beim Einsatz von großen Maschinen Strukturen, die unserer Tier- und Pflanzenwelt nutzen und ihnen neuen Lebensraum bieten.
„Wenn man einmal gesehen hat, wie ein Specht am morschen Stamm klopft, während darunter eine Mopsfledermaus schläft und darüber ein Eichhörnchen Bucheckern versteckt“, sagt Kraus lächelnd, „dann weiß man: So ein Hochstumpf im Wald ist eigentlich ein Hochhaus voller Leben.“

Ein Buntspecht bringt seinem Nachwuchs Futter.