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Virtual Reality beim Forst: Forstbetrieb Fichtelberg trainiert Holzernte am Computer

Unterstützt durch Sicherheitsingenieur Sebastian Großmann von den Bayerischen Staatsforsten (rechts) trainiert Adrian Thoma den Umgang mit der Motorsäge in einem virtuellen Wald. Die VR-Brille auf dem Kopf zeigt dem Azubi beim Forstbetrieb Fichtelberg sein simuliertes Arbeitsumfeld.

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08. November 2022, Fichtelberg – Die Bayerischen Staatsforsten erproben neue Methoden bei der Ausbildung angehender Forstwirte: ein Training in virtueller Umgebung. Ausgerüstet mit einer sogenannten VR-Brille und Sensoren an der Motorsäge können die Azubis gefahrlos üben, Bäume zu fällen. Hinter dem virtuellen Baumfällen steckt viel mehr, als nur ein nettes Erlebnis. Es schult die Beschäftigten und sensibilisiert für die Gefahren bei der Holzernte.

Adrian Thoma steht im Wald – an sich für ihn als Forstwirt-Azubi bei den Bayerischen Staatsforsten nicht ungewöhnlich. Aber dieser Wald ist anders. Ein Mischwald aus Buchen und Fichten. Raschelnde Blätter und abgebrochene Äste liegen am Boden. Auf einer Lichtung steht ein Pickup, dessen Ladefläche mit allerhand Holzfällungswerkzeug gefüllt ist. Von dort holt sich Adrian die Ausrüstungsgegenstände, die er braucht: eine Motorsäge, eine Axt, einen Fällkeil, eine signalfarbene Jacke, um gut gesehen zu werden. Ausrüstung komplett? Mit einem Tastendruck nimmt er die Geräte auf und trägt sie mit einem weiteren Tastendruck zu seinem Einsatzort.
Mit einem Tastendruck?

Die ganze Szene spielt sich in einer Computersimulation ab. Und Adrian Thoma steht mittendrin in dieser virtuellen Welt. Statt seines Schutzhelms trägt er eine sogenannte VR-Brille auf dem Kopf. Kleine Bildschirme in dem helmartigen Gerät vermitteln ihm ein räumliches Bild des simulierten Waldes, in dem er sich frei bewegen und überall hin umschauen kann. Kopfhörer geben ihm dazu den passenden akustischen Eindruck. Sensoren erfassen seine Kopfbewegungen, alle Handgriffe, die Position der Motorsäge. Es entsteht ein verblüffend realistisches Abbild des Arbeitsumfelds. So realistisch, dass Adrian nach wenigen Augenblicken glaubt, tatsächlich im Wald zu stehen. Ganz automatisch wendet er sich um, wenn er den Arbeitsbereich überblickt. Wie selbstverständlich blickt er nach unten und räumt virtuelle Äste aus dem Weg, die ihn bei der sicheren Bewegung durch den Wald stören. Dabei steht er in Wirklichkeit auf dem Fliesenboden in der Ausbildungswerkstatt des Forstbetriebs Fichtelberg. Trocken, warm und ohne Gefahren.

Als Trainer unterstützt ihn Sebastian Großmann, Sicherheitsingenieur bei den Bayerischen Staatsforsten. Gemeinsam mit der Bayerischen Landesunfallkasse entwickelte Großmann das innovative, bisher deutschlandweit einmalige Simulationsprogramm.  In die Übungen kann er verschiedene Szenarien einbauen: Umgang mit Totholz, Sicherheitsfälltechnik, Einsatz einer Seilwinde. Auf einem Monitor sieht er, was der Auszubildende in der VR-Brille vor seinen Augen hat.

„Ziel beim Training ist es, die Gefahrenwahrnehmung zu schulen“, so Großmann. „Wir geben dabei den Azubis die Möglichkeit gefahrlos sichere Arbeitsabläufe zu üben. Dabei können und sollen sie durchaus auch Fehler machen, um daraus zu lernen. Natürlich ersetzt das Training in der virtuellen Realität nicht die Ausbildung in der Wirklichkeit, im Wald, am Baum, mit der richtigen Motorsäge. Aber wir ergänzen damit die Übungsmöglichkeiten. Und die neue Methode macht den jungen Leuten viel Spaß.“

Konzentriert setzt Adrian Thoma die Motorsäge am virtuellen Baum an, schneidet den Fallkerb ein. Kontrollblick über den Gefahrenbereich. „Obacht – Baum fällt!“. Die Säge wird zum Fällschnitt angesetzt, im Kopfhörer ist das Hochdrehen des Motors zu hören.  Der Fällkeil bringt den Baum schließlich zu Fall.

Übungsende.

Adrian Thoma nimmt die Videobrille ab. Obwohl es nur eine Computersimulation war, ist er sichtlich etwas erschöpft. Denn ganz automatisch hat er sich dabei ebenso konzentriert wie bei einer wirklichen Baumfällung.

Das Computerprogramm wertet den Simulationslauf aus und erlaubt sofortige Rückmeldung: Alle Sicherheitsvorschriften beachtet? War der Ablauf in Ordnung? Sebastian Großmann ist mit der Leistung zufrieden. „Für einen Azubi im ersten Lehrjahr ein gutes Ergebnis“ lobt er den Jungforstwirt.

Zukünftig soll mit der VR-Brille auch ein Auffrischungstraining für erfahrene Forstwirte angeboten werden. Ebenso sollen mit ihr die Führungskräfte der Bayerischen Staatsforsten für die Gefahren bei der Holzernte sensibilisiert werden.

„Sicherheit am Arbeitsplatz entwickelt sich ständig weiter“, verdeutlicht Sebastian Großmann. „Und das Training mit den Methoden der virtuellen Realität wird dabei zunehmend an Bedeutung gewinnen.“