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Verwaiste Alm am Brunnenkopf reaktiviert

Murnau- Werdenfelser Jungrind

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Ettal / Graswang, 26. Juli 2018 - Die Brunnenkopfalm (ca. 1500 bis 1700 m hoch) im Naturschutzgebiet Ammergebirge nahe Graswang gehört zu den zahlreichen verwaisten Almen in höheren Alpenlagen. 60 Jahre hat sich hier niemand um die Beweidung gekümmert - mit unerwünschten Folgen: Die Artenvielfalt hat sich verringert und die Grasarten dominieren die Fläche. Der Schnee drückt das Gras auf den Boden.

„So hat sich über die Jahrzehnte ein dichter Filz gebildet. Das Wasser kann nicht so leicht in den Boden eindringen, sondern schießt auf den langen Grashalmen den Hang hinunter. Gleiches gilt für den Schnee im Winter. Die Kraft des Wassers und des Schnees schaffen dann stellenweise Erosion und Hangrutschungen. Durch den Klimawandel und die häufigeren Starkniederschläge verstärkt sich das noch“, erläutert Dr. Michael Dannenmann, Bodenforscher am Garmisch-Partenkirchner Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK-IFU), einer Forschungseinrichtung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT).

In seiner Arbeitsgruppe geht es um Bio-Geo-Chemische Boden-Prozesse. Dr. Dannenmann untersucht unter anderem auch die Veränderungen im Boden durch die genannten Vorgänge auf der Alm. Ein anderer Aspekt ist, dass der Wald das Gelände langsam, aber sicher zurückerobert, „Damit wäre die Alm, ein Stück Bayerische Kulturlandschaft, verloren“.

Almen sind aber nicht nur Lebensraum vieler teilweise bedrohter Tier- und Pflanzenarten, zum Beispiel des Birkhuhns, oder einiger Orchideenarten, sondern Almen haben auch eine hohe Bedeutung für den Tourismus. Gute Gründe also eine aufgelassene Alm wieder zu beweiden (zu bestoßen) und damit ein interessantes wissenschaftliches Projekt zu verknüpfen.

In dem jungen Schöffauer Landwirt Michael Weiß hat der Bodenforscher einen engagierten Mitstreiter gefunden. Die Untere Naturschutzbehörde im Garmisch-Partenkirchner Landratsamt unterstützt das Projekt, ebenso wie die  Bayerischen Staatsforsten. Richard Baur, Stellvertretender Forstbetriebsleiter am Forstbetrieb Oberammergau erläutert, dass die Bayerischen Staatsforsten die Alm und die Brunnenkopf-Diensthütte für die Forschungstätigkeit kostenlos und für den Landwirt zu einem sehr günstigen Pachtpreis vergeben haben.

Großen Wert hat der Forstbetrieb auch auf den Auftrieb von Murnau Werdenfelser Rindern gelegt, um den Erhalt dieser alten und erhaltenwerten Rinderrasse zu fördern. Wichtig für die Staatsforsten war auch, dass durch einen gut zwischen den Projektpartnern abgestimmten Zaunverlauf die Belange des umgebenden Schutzwalds nicht beeinträchtigt werden.

Partner im Projekt sind auch die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Universitäten in München und Bayreuth, sowie die Vogelschutzwarte in Garmisch-Partenkirchen. Inzwischen ist der Anfang gemacht: Seit dem Frühjahr gibt es wieder Kühe auf der Alm im Ammergebirge. Hier weiden fünf Murnau-Werdenfelser Rinder, angeführt von der 17-jährigen Leitkuh Alma, die auch ihr diesjähriges Kalb dabei hat. Die robusten und trittsicheren Tiere fühlen sich sehr wohl dort droben und nächstes Jahr bekommen sie Verstärkung, weil der Futterwert durch die einmalige Beweidung schon ansteigen dürfte.

„Vorige Woche hat Bauer Weiß noch zwei Pferde raufgebracht“, freut sich Projektleiter Dannenmann. Sie sollen so nebenbei lernen, sich in steilem Gelände zu bewegen. Später werden sie im Forst zum schonenden Holzrücken eingesetzt. Auch junge Hirten haben sich gefunden. Unter ihnen Landwirtschafts- und Forststudenten und andere Enthusiasten, die bereit sind, ohne Strom und fließendem Wasser in der Forstdiensthütte droben zu übernachten. Drei Hirten wechseln sich ab, übernehmen auch Messungen für das Forschungsprojekt.

Dannenmann ist froh, zusammen mit dem Forst und der Unteren Naturschutzbehörde die Brunnenkopfalm gefunden zu haben. Zuvor hatte er sich einige andere aufgelassene Almen angeschaut. „Für viele kommt eine Wiederbeweidung zu spät. Dort wachsen flächendeckend Giftpflanzen wie das Alpen-Kreuzkraut und der Eisenhut und die Verbuschung schreitet voran. „Es ist oft erschreckend“, sagt er.

Am Ende der Weidesaison werden die Bodenproben vom Ausgangszustand erstmals mit dem aktuellen Zustand verglichen. Gleiches wird mit der Vegetation gemacht, sowohl über klassische Vegetationsaufnahmen als auch über eine Drohnenbefliegung. Die Bayerische Botanische Gesellschaft untersuchte bereits die pflanzliche Artenvielfalt zu Beginn der Beweidung.  Letztendlich erhofft man sich auch Erkenntnisse über die Auswirkungen von extensiver Beweidung auf die gesamte Artenvielfalt (auch die Insekten- und Vogelwelt), über die Hangstabilität und sogar Auswirkungen auf den Hochwasserschutz.

„Ein gemeinsames Experiment von Wissenschaft, Landwirtschaft und Forst im Rahmen des langfristigen „SUSALPS-Projektes“, welches das Garmisch-Partenkirchner IMK-IFU koordiniert“. Es beinhaltet die Erforschung von Wegen zur geeigneten Grünlandbewirtschaftung unter Klimawandelbedingungen nicht nur für aufgelassene Almen, sondern für Grünland aller Höhenstufen am Alpenrand.