Spirken-Saatgut für die Moore in Nordbayern
14. März 2023, Fichtelberg – Im Fichtelseemoor zwischen B303 und Fichtelberg ernten Mitarbeiter des Forstbetriebs Fichtelberg die Zapfen einiger Spirken. Damit sichern die Bayerischen Staatsforsten den Nachwuchs dieser seltenen Kiefernart für Moorrenaturierungsprojekte in Nord- und Ostbayern.
Es ist kalt. Am Boden liegt der Neuschnee der vergangenen Tage. Darunter weiche Moospolster und eingeschneite Heidelbeersträucher. Bei jedem Schritt schmatzt und gluckert es aus dem Untergrund. Eine ziemlich unwirtliche Umgebung hier im Naturschutzgebiet Fichtelseemoor bei Fichtelberg. Dennoch stapft ein kleines Team von Forstmitarbeitern durch den Wald. Sie suchen nach Spirken. Diese Kiefernart ist außerordentlich selten, wächst nur auf echten Hochmoorflächen – wie eben hier im Fichtelseemoor. Andere Standorte sind in der Region mit nennenswerten Spirkenvorkommen eher selten. In der Torfmoorhölle westlich von Weißenstadt stehen noch einige dieser Bäume oder in der Häuselloh bei Selb. Unter den speziellen Umweltbedingungen des Hoochmoors gedeihen andere Baumarten nicht mehr. Das macht die Spirke zu einer Rarität, die nur in solchen seltenen, wertvollen Lebensräumen vorkommt.
Andreas Büchner, Leiter des Pflanzgartens Bindlach der Bayerischen Staatsforsten hält Ausschau nach den Spirkenbäumen. Manche von ihnen tragen derzeit Zapfen. „Wir ernten die Spirkenzapfen, um daraus die Samen zu holen. In den nächsten Jahren werden wir damit im Pflanzgarten Spirkenbäumchen nachziehen. Die Jungpflanzen werden später, wenn sie stark genug sind, auf Hochmoorflächen im Fichtelgebirge und in der angrenzenden Oberpfalz ausgebracht. Damit leisten die Bayerischen Staatsforsten einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung dieser seltenen Baumart.“
Seine Begleiter Janis Schemm und Alois Krockauer - beide sind Forstwirte am Forstbetrieb Fichtelberg - haben in der Zwischenzeit ihre Ausrüstung bereit gemacht: Klettergurt, Steigeisen, Sicherungsequipment und einen Sack zum Sammeln der abgepflückten Zapfen. Behänd wie ein Eichhörnchen erklettert Janis Schemm einen der gut 20 m hohen Bäume. Es gehört schon Mut, Schwindelfreiheit und körperliche Fitness dazu, als Zapfenpflücker zu arbeiten. Fit ist Janis Schemm - keine Frage. Der gebürtige Arzberger ist in seiner Freizeit ein außerordentlich erfolgreicher Wettkampfschwimmer. Sein Kollege Alois Krockauer, schon seit vielen Jahren als Baumsteiger und Zapfenpflücker im Einsatz und nicht weniger fit, unterstützt seinen jungen Kollegen mit seiner großen Erfahrung. Schon hangeln sich die beiden durch die Baumkronen, um an die wertvollen Zapfen am Ende der Zweige heranzukommen.
Unten am Boden wartet Andreas Büchner gespannt auf die ersten Zapfen-Proben, die ihm die Männer aus der Baumkrone herunterwerfen. Mit einem Gerät, das eher aus einer mittelalterlichen Folterkammer zu stammen scheint, zerteilt er einige Zapfen in Längsrichtung. Und ist zufrieden. Denn im Schnitt sind deutlich Samenkörner zu erkennen. „Die Ernte wird ganz ordentlich. Wir werden voraussichtlich 10 bis 20 Bäume beernten. Das sollte für ca. 500 g Saatgut reichen. Damit können wir in den nächsten Jahren kleine Spirkenbäume für Moore in der Region bereitstellen“, so der Forstpflanzen-Experte. „Zugleich sichern wir eine kleine ‚eiserne Reserve‘, um langfristig die besondere Genetik der Pflanzen aus dem Fichtelseemoor zu bewahren und zu schützen, die seit Jahrtausenden an die hiesigen Verhältnisse angepasst sind. Denn die Spirke ist als Folge des Klimawandels vom Aussterben bedroht.“
Für eine forstwirtschaftliche Nutzung sind Spirken völlig ungeeignet; sie sind vielmehr wichtige Bausteine für die Artenvielfalt und die gesamte Lebensgemeinschaft von Tieren und Pflanzen in den Moorgebieten.
Das Nachzuchtprogramm für die seltene Kiefernart ist Teil des Auftrags der Bayerischen Staatsforsten, Moore zu erhalten und zu schützen sowie ehemals trocken gelegte Moorflächen wieder zu vernässen und zu beleben. Denn Moore sind wichtige Bestandteile der Naturlandschaft. Sie binden das Treibhausgas Kohlendioxid, bremsen also den Klimawandel. Zugleich sind sie unersetzlicher Lebensraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten, die dort schon seit der letzten Eiszeit heimisch sind. Und sie können bei sommerlichen Gewitterschauern das Niederschlagswasser wie ein Schwamm binden und später verzögert abgeben. Durch diesen Schutz vor Hochwasser helfen sie also auch direkt den Menschen.
Der Zapfenernte war wegen dem besonderen Schutzstatus des Fichtelseemoores als Naturschutzgebiet und Naturwaldreservat eine intensive Abstimmung zwischen dem Forstbetrieb Fichtelberg, dem Pflanzgarten Bindlach, der höheren Naturschutzbehörde bei der Regierung von Oberfranken, der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft und dem örtlich zuständigen Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bayreuth-Münchberg vorausgegangen. Interessierte Besucher können das Fichtelseemoor auf dem Wanderweg zwischen dem Seehausparkplatz und dem Fichtelsee besuchen. Von dort lässt sich der Spirkenwald gut beobachten. Bitte bleiben Sie auf dem Weg – im Naturschutzgebiet gilt Wegegebot.
Elegant seilen sich Janis Schemm und Alois Krockauer aus den Baumkronen ab und erreichen wieder festen Boden unter den Füßen. Mitgebracht hat jeder einen kleinen Beutel mit einigen Dutzend Zapfen. Andreas Büchner nimmt sie dankbar in Empfang. Damit ist der Weg bereitet für die nächste Generation der Spirken auf Hochmoorflächen in der Region.