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Raffinierte Ausbreitungsstrategien der Natur

Unterstützt die Förster bei der Pflanzung: Tannenhäher

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13.11.2019 Kempten - Meist gar nicht viel beachtet haben die Bäume nach einer eher unspektakulären Blüte den Sommer über ihre Früchte entwickelt. Nun gelangen sie im Herbst und Frühwinter zur Reife, fallen ab, fliegen davon oder lassen sich vom Wasser treiben. Im kommenden Jahr werden die Samen austreiben und als Keimling den Grundstein für eine neue Waldgeneration begründen – so sie nicht gefressen werden. 

Bekannt und auffällig sind im deutschen Wald die Früchte der Eiche, der Buche oder auch der Kastanie. „Diese Früchte haben eines gemeinsam: Sie sind relativ schwer. Am Beispiel der Eiche wollen wir den Verjüngungsgang dieser schwerfruchtigen Baumarten erklären“, so Sonthofens Staatsforsten-Chef Jann Oetting.

Revierleiter Markus König, der den Wirlinger Staatswald pflegt, kennt einen alten Spruch aus der Forstwirtschaft: „Wie vermehrt sich die Eiche? Die Eichel macht plumps! Das klingt etwas komisch, ist jedoch eine exakte Beschreibung des Vorgangs. Deshalb nennt man auch Samen, die vom Baum abfallen und hörbar auf dem Boden auftreffen ´Aufschlag`“. Damit käme der Baum im wahrsten Sinne nicht weit, weil sein Migrationsfaktor d.h. die Fähigkeit zur räumlichen Ausbreitung der Art stark erschwert. Nochmal Markus König: „Aber die Natur findet – wie immer – einen ganz tollen Weg: Die Eiche kompensiert ihr Handicap und lässt für sich arbeiten!“

Ihre Samen, die Eicheln, werden von vielen Tieren als Nahrung aufgenommen. So z.B. auch von den Vogelarten Eichel- und Tannenhäher. Um den Winter zu überstehen, bevorraten sich diese und verstecken einen Teil ihrer Beute. Obwohl die Vögel ein erstaunlich gutes Gedächtnis haben - sie erinnern sich an 80 Prozent ihrer Nahrungsdepots – finden sie doch einen Teil der Früchte nicht mehr. Diese sind durch das Vergraben wie eingepflanzt, kommen vor Frost geschützt über die kalte Jahreszeit und finden so im Frühjahr in ihrem Versteck meist optimale Voraussetzungen, um zu keinem. Förster sprechen von der „Hähersaat“ oder der „Versteckausbreitung“.

So trägt der gefiederte Waldbauer dazu bei, dass ein stabiler, artenreicher Mischwald entstehen kann. Manche Früchte werden über 1 km weit vertragen. Somit ist auch der genetische Austausch gesichert.

„Im Gegensatz dazu gibt es auch eine Vielzahl von Bäumen, deren Früchte so konzipiert sind, dass sie beim Abfallen vom Baum durch den Wind möglichst weit verbreitet werden können. Die aerodynamischen Formen, die sich hier entwickelt haben, sind mehr als vielfältig. Flügel z.B. am Samen der Fichte, Birke oder Erle, Propeller beim Ahorn oder Linde, Schirmchen bei manchen Weidenarten um nur einige zu nennen. Wir Förster sprechen dann vom ´Anflug`, wenn diese Samen den Boden berühren, was sanft und lautlos geschieht“, ergänzt Forstbetriebsleiter Jann Oetting.

Die Stelle, wo die Samen auftreffen, bieten zwar in vielen Fällen passende Gegebenheiten, um aus einer Frucht einen Keimling entstehen zu lassen. Das heißt aber noch lange nicht, dass das junge Pflänzchen die Bedingungen findet, die es braucht, um weiter wachsen zu können. Staatswald-Förster Markus König: „Deshalb setzt die Natur hier auf ein bewährtes Prinzip: Masse. Wo unzählige Samen produziert werden, genügt es, wenn nur ein geringer Prozentsatz überlebt, um die jeweilige Art zu verjüngen und zu erhalten.“

So konnten auf manchen Standorten bis zu 1,5 Millionen Fichtenkeimlinge je Hektar nachgewiesen werden. Die Zahl der übrig gebliebenen Individuen, wenn der Wald einmal 100 Jahr alt ist, verdeutlicht das Prinzip sehr anschaulich: Je nach Baumart nur noch zwischen 150 und 80.

Jann Oetting fasst zusammen: „Mit diesen raffinierten Methoden gelingt den Bäumen, die ihren Standort ja nicht verlassen können, eine Verbreitung über teils große Entfernungen. Das wiederum kommt der Entstehung der Artenvielfalt im Wald zu Gute.“