Moorrenaturierung im Kempter Wald im "Tiefergrabenmoos"
Betzigau, 21. Oktober 2022 - nach mehr als zwei Jahren Planungsphase konnte im November 2021 die Renaturierung des Tiefergrabenmoores im Kempter Wald erfolgreich abgeschlossen werden. Innerhalb der vergangenen Vegetationsperiode konnten bereits sichtbare Erfolge verzeichnet werden. Das ca. 37 Hektar große Waldmoor westlich des Durachursprungs liegt inmitten der ursprünglichen Moorlandschaft des Kempter Waldes und ist eines der zahlreichen Hochmoore des Staatsforstbetriebs Sonthofen. Das Projekt ist ein weiterer Trittstein bei den Renaturierungsarbeiten auf mehreren hundert Hektar Moorwäldern der Bayerischen Staatsforsten im Kempter Wald.
„Vereinfacht kann gesagt werden, dass Moore überall dort entstehen, wo es zu viel Wasser im Boden gibt“, erklärt Förster Sebastian Neubauer. Er pflegt den Staatswald im Kempter Wald. Die permanente Wassersättigung im Boden verhindert durch Luftabschluss die Zersetzung von organischem Material wie etwa Pflanzenresten. Über die Jahrhunderte entsteht so langsam neuer Torf. „Wir Moorexperten unterscheiden dabei grundsätzlich zwischen drei Moortypen: Von Nieder- und Übergangsmoore wird gesprochen, wenn die Torfmächtigkeit mindestens 30cm beträgt und das Torfwachstum noch von Grund- oder Quellwasser beeinflusst ist. Wächst der Torfkörper über den Grundwasserspiegel hinaus und wird nur noch vom Regenwasser gespeist, entstehen die sehr nährstoffarmen Hochmoore. Da die meisten Nährstoffe noch in den unverrotteten pflanzlichen Überresten gebunden sind, herrscht auf Moorstandorten immer auch Nährstoffmangel. Hochmoore zählen zu den extremsten Lebensräumen in Mitteleuropa. Sie sind geprägt von ständigem Wasserüberschuss und extremer Nährstoffarmut“, erläutert Förster Sebastian Neubauer.
Nur echte Spezialisten unter den Pflanzen können diesen außergewöhnlichen Standort erfolgreich besiedeln. Der Charakterbaum der Hochmoore ist die Spirke oder auch Moorkiefer. Diese lichtbedürftige und gegenüber anderen Bäumen konkurrenzschwache Baumart ist in der Lage, den nassen und sauren Torfboden zu erschließen und zusammen mit der Fichte die typischen Moorwälder zu bilden. Im Tiefengrabenmoor kommen zahlreiche weitere Spezialisten vor: Beispielsweise der Sonnentau, der als „fleischfressende Pflanze“ den Nähstoffmangel durch das Fangen und Zersetzen von Insekten kompensiert. Oder auch die auf Moore spezialisierten Rausch- und Moosbeeren, beides Verwandte der Heidelbeere. Die Blätter von Rausch- und Moosbeeren dienen wiederum als Nahrungsgrundlage für Raupen seltener Schmetterlinge, wie etwa des Hochmoorgelblings.
Die Moore im Alpenvorland wurden seit Jahrhunderten vom Meschen entwässert, um neue Wald- und Weidestandorte zu gewinnen. Ab Anfang der 1920er Jahre wurden deutschlandweit im industriellen Maßstab ganze Moorlandschaften entwässert und der Torf als Brennstoff genutzt, weil Energie und Lebensmittel so teuer waren. Auch die Moore im Kempter Wald blieben davon nicht verschont. So wurde der namensgebende „Tiefegraben“ bis zu drei Meter tief durch den Torf getrieben. Besonders an den Rändern der großen Hochmoore wurde Torf gestochen. Auch die Übergangsmoore, wo Fichte von Natur aus waldbildend ist, wurden oft mit Gräben entwässert.
Förster Sebastian Neubauer weiter: „Bei der Renaturierung von Mooren steht deshalb der Verschluss der wasserführenden Gräben mit Holzbrettern und Torf und damit die Wiedervernässung an oberster Stelle. Für den Verschluss des Hauptgrabens waren 19 Stammholz-armierte Dammbauwerke mit ca. 12 Meter Breite nötig. Die flacheren Seitengräben wurden mit insgesamt 125 Dämmen aus Holzbrettern und Torf abgedichtet.“
Die umfangreichen Planungsarbeiten wurden von einem renommierten Planungsbüro mit Hilfe moderner Geoinformationssysteme und zahlreicher Geländebegänge durchgeführt. Die Dammbauarbeiten auf diesen hochsensiblen Standorten wurden von extra Moorbaggern und Dumpern einer Spezialfirma durchgeführt. Ziel ist es, das abfließende Regenwasser so lange wie möglich in dem Moorkörper zu halten. Auf diese Weise soll eine fortschreitende Mineralisierung des Torfs verhindert und das weitere Wachstum des lebenden Moores ermöglicht werden. Nach gut einem Jahr konnten bereits erfreuliche Veränderungen an der Vegetation im direkten Umfeld der Dammbauwerke gemacht werden. Die im Staubereich der Gräben entstandenen offenen Wasserflächen werden nun zunehmend von Torfmoosen besiedelt und werden sukzessive zuwachsen und so den Rückhalt des Regenwassers noch begünstigen.
Jann Oetting, Leiter des Forsbetriebs Sonthofen gibt einen Ausblick: „In den nächsten Jahren werden wir noch zahlreiche Renaturierungsprojekte im Kempter Wald realisieren. Unser Ziel steht fest: Bis 2030 sollen die Hochmoore der Bayerischen Staatsforsten wiedervernässt sein. Für uns ist die Pflege und Renaturierung unserer Moore ein wichtiger Teil der integrativen Waldbewirtschaftung. Wir Forstleute gewährleisten so durch Schützen und Nutzen auf derselben Fläche den Erhalt und die Entstehung und Pflege von arten- und strukturreichen Wäldern.“