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BaySF_Magazin_Spessart_2012

Schon im Nibelungenlied wird der Spessart erwähnt. Allerdings klingt der Name in dem mit­ telalterlichen Heldenepos noch ein bisschen an­ ders. Hagen von Tronje lockt den fast unverwund­ baren Helden Siegfried in den „Spehtsarte“, um ihn dann hinterrücks bei der Jagd zu ermorden. Bis zum heutigen „Spessart“ hat sich die Bezeich­ nung deutlich verändert, doch der Ursprung ist seit jeher derselbe. Im Mittelhochdeutschen ist er sogar noch nachvollziehbarer als in unserer heutigen Version. Denn Spessart setzt sich aus den Wörtern „Specht“ und „Hardt“ zusammen. Zweiteres kann auch mit Wald übersetzt werden. Der Spessart ist also ein Spechtwald. Und unsere Vorfahren haben ihn nicht von ungefähr so be­ nannt. Schon vor hunderten Jahren war er belieb­ ter Lebensraum für diese Vögel. Und heute? „Der Spessart wird seinem Namen unverändert gerecht“, sagt Axel Reichert, Naturschutzspezialist der Bayerischen Staatsforsten. Neben den eher bekannten Ar­ ten Grün-, Grau- und Buntspecht lassen sich der Schwarzspecht, der Mittel- und Kleinspecht ent­ decken. „Im Spessart haben sie gute Brut- und Nahrungsbedin­ gungen“, sagt der Experte Rei­ chert. Und das hängt vor allem mit dem Baumbestand zusam­ men. Spechte bevorzugen für den Bau ihrer Bruthöhlen dicke, alte und gerne auch morsche Laubbäume. Die gibt es im größten zusammenhängenden Waldgebiet Deutschlands reichlich. Die Spessart­eiche ist welt­ berühmt, Exemplare mit 400 und mehr Jahren sind kein Einzelfall. Auch viele alte Buchen, die bestens an das hiesige Klima angepasst sind und von Na­ tur aus hier vorherrschen, gibt es im Spessart. Viele der alten Eichen sind zu Zeiten des Dreißig­ jährigen Krieges begründet worden. „Spechte sind die Meister des sozialen Woh­ nungsbaus“, sagt Reichert. Denn ihre Höhle wird von bis zu 50 verschiedenen Folgenutzern be­ wohnt – und zwar von anderen Tieren, die darauf angewiesen sind. So brütet etwa in alten Eichen im Hochspessart der Mauersegler. Das ist einzig­ artig in ganz Bayern. Normalerweise brüten sie – auch hier gilt „Nomen est omen“ – in Gemäuer­ ritzen von Häusern und Burgruinen. Rauhfußkauz, Hohltauben, Hornissen, Bilche und einige andere Tiere sind ebenso Nachmieter. Was den Spessart neben dem Specht ebenfalls zu einem vielfältigen Lebensraum für Flora und Fauna macht, ist sein hohes Auf­kommen an so­ genannten Biotop-Bäumen und Totholz: Aus wirt­ schaftlicher Sicht sind diese Bäume meist weniger wertvoll, um so wichtiger sind sie aber für den Artenschutz. Biotop-Bäume zeichnen sich etwa durch alte Verletzungen, Blitzeinschlag oder die ein oder andere Spechthöhle aus. Als Totholz bezeichnet man einen entweder stehenden oder liegenden, abgestorbenen Baum. Durch die vielen offenen Stellen können sich unter der Rinde In­ sekten und Pilze ansiedeln. Letztere sind die Be­ statter des Waldes. „Wenn es keine Pilze gäbe“, erklärt Naturschutzspezialist Reichert, „würde der Wald irgendwann an seiner eigenen Biomasse er­ sticken.“ Mehr als 1 000 Pilzarten gibt es im Spes­ sart. Sie bauen Holzsubstrat ab, minera­lisieren und verwandeln es in Erde. Von den verschiedenen Abbaustadien des Holzes profitiert eine Vielzahl verschiedenster Insekten, die wiede­rum wichtige Nahrungsgrundlage für viele andere Tierarten wie beispielsweise Fledermäuse oder Vögel sind. „Früher hat man das Totholz und auch zum Teil die Nadel- und Laubstreu aus den Wäldern nahezu komplett entfernt“, sagt Reichert. Und unwissentlich damit viele Nähr­ stoffe, die den lebenden Bäu- men dann fehlten. Die Folge: Die Stand­orte verarmten, die Bäume zeigten deutliche Man­ gelerscheinungen wie Krüppel­ wuchs. Der Naturschutzexperte erklärt: „Totholz verbessert un­ ter anderem auch die Nährstoff­ versorgung der Bäume.“ Durch seine langsame Zersetzung funktioniert es wie ein Dünger für den Waldboden. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie sensibel das Ökosystem Wald ist – und wie schüt­ zenswert. Zwar können Pilzsporen Strecken von bis zu 100 Kilometern zurücklegen und auch Vögel haben kein Problem weiterzuziehen. Zahlreiche Käfer aber sind zum Beispiel als langsame Fußgänger unterwegs und bewegen sich nur in einem kleinen Radius. Sie sind darauf angewiesen, dass in ihrem Lebensraum alles so bleibt wie es ist, dass genü­ gend Totholz und Biotop-Bäume vorhanden sind. 13 Käferarten im Spessart sind daher als so ge­ nannte Urwaldrelikt-Arten bekannt, wie etwa der Eremit oder der Feuerschmied. Nach der letzten Eiszeit, vor circa 10 000 Jahren, entwickelten sich viele Tierarten zusammen mit dem Wald. Im natur­ nahen Spessart besteht daher eine ungebrochene Arttradition, die bereits seit mehreren Jahrtausen­ den besteht. Kontaktinfo: axel.reichert@baysf.de „Spechte sind die Meister des sozialen Wohnungsbaus.“ A x el R eichert Naturschutzspezialist Nord der Bayerischen Staatsforsten schützen u nd N u tzen Der Wald ist Rohstoff­ lieferant, Erholungsort für Menschen und ein zu schützender Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten. Ein Wider­ spruch? Mit dem Konzept der integrativen Forst­ wirtschaft versuchen die Bayerischen Staatsforsten all dem gerecht zu wer­ den, zu schützen und zu nutzen – gleichzeitig. Das bedeutet: Es gibt kei­ ne reinen Wirtschafts­ wälder, es wird nicht alles restlos genutzt, sondern es verbleiben Bäume im Be­ stand, die alt werden dür­ fen, richtig alt. Denn die Pflanzen- und Tierwelt liebt morsche und alte Bäume, sogenannte Biotop-Bäume und Totholz. Die Wälder der Bayerischen Staatsfors- ten werden im Rahmen der mittel- und langfris­ti­gen Forstbetriebsplanung auch naturschutzfachlich klas­ sifiziert und entsprechende Zielvorgaben getroffen. Ein Beispiel: In naturnahen Wäldern, älter als 140 Jah­ re, werden durchschnitt­ lich zehn Biotop-Bäume und 40 Kubikmeter Totholz pro Hektar angestrebt. Das dient dem Artenschutz. Und für den Menschen ist so ein arten­reicher Wald auch ein größeres, span­ nendes Natur­erlebnis. 26 Der Spessart N at u rsch u tz

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