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BaySF_Magazin_Spessart_2012

„Der Spessart ist eine uralte Kulturlandschaft.“ Wald – Armut – Einsamkeit, das ist das alte Spessartklischee, gegen das Sie ankämpfen. Herr Himmelsbach, mit welchen drei Begriffen definieren Sie denn den Spessart? 8 000 – Jahre – Kulturlandschaft. So alt? Ja, es gibt Hinweise auf Besiedlung bereits in der Jungsteinzeit. Das war wahrscheinlich Ackerbau auf besonders geeigneten Flächen, auf Lößschich­ ten, die oben auf dem Buntsandstein auflagen. Der Buntsandstein selbst ist wenig fruchtbar. Diese günstigen Lagen wurden wahrscheinlich relativ rasch übernutzt und sind dann wegerodiert. Das war vermutlich die erste ökologische Katas­ trophe im Spessart. Die Leute haben ihre eigene Lebensgrundlage zerstört? Das kam danach immer wieder vor. In der Bronze- und Eisenzeit gab es dann den ersten Bergbau, auf Kupfer- und Eisenerz. Richtig lebhaft wurde es ab dem Mittelalter, mit Köhlereien, Glashütten, Eisenhämmern, Kalkbrennereien, Steinbrüchen und so weiter. Es gab Jahrhunderte hindurch die unterschiedlichsten Nutzungen, es gab immer wie­ der Raubbau und Übernutzung und auch Versuche, gegenzusteuern, den Wald zu schützen. Der Spes­ sart ist schon lange kein Urwald mehr. Der Spessart ist kein Urwald – was ist er dann? Heimat für die Menschen, die hier seit Jahr­ hunderten im Wald leben, Wirtschafts­ faktor durch die Holznutzung  – früher durch die Glashütten, heute durch nach­ haltige Bewirtschaftung. Die Bayerischen Staatsforsten stehen hier in der Nachfol­ ge von Generationen engagierter Förster, die den Spessart zu dem Lebensraum für Mensch und Tier gemacht haben, der er heute ist. Im nächsten Jahr werden es 100 Jahre, dass der Spessartbund diesen Prozess begleitet und ein Auge auf die Entwicklungen hat. Trotzdem haben sich die Historiker lange schwergetan, den Spessart als Kultur­ landschaft zu sehen. Das liegt daran, dass sich im 19. und 20. Jahrhundert zuerst Förster mit schriftli­ chen Zeugnissen in den Archiven beschäf­ tigt haben. Jagd- und Räubergeschichten standen zunächst im Vordergrund, was die einseitige Sicht wiederum verstärkt hat. Der Spessart als Tummelplatz der Hohen Her­ ren, die die Menschen unterjochen, ist das ein Zerrbild? Ja, es ist nur ein Teil der Wahrheit. Wenn man ge­ nau hinsieht, ist der Spessart voll mit unterschied­ lichsten Zeugnissen der Besiedlungsgeschichte, die sich interdisziplinär mit den verschiedensten Forschungsmethoden nachweisen lassen. Und die Wahrnehmung beginnt sich auch zu ändern. Es ent­ stehen Diplom- und Doktorarbeiten zu speziellen Fragen. Das grundsätzliche Herangehen an diese Fragen hat sich geändert: Früher haben die Leute gesagt: Ach, da ist doch eh’ nichts. Jetzt sagen sie: Da ist doch bestimmt etwas, wir müssen nur genau hinschauen. Ist das auch die Idee hinter den Europäischen Kulturwegen des Archäologischen Spessart- Projekts – die Leute zu ermuntern, genau hin­ zusehen? Genau. Wir wollen den Menschen – Einheimischen wie Besuchern – die Kulturlandschaft näher brin­ gen, sie erlebbar machen. Und zwar möglichst dezentral, so dass jeder Ort seine eigenen Wege hat, die von den Leuten selbst entwickelt, gepflegt und instandgehalten werden. Damit nicht nur das Wissen vermehrt und das Bewusstsein der Heimat gestärkt wird, sondern auch vor Ort Wertschöp­ fung stattfindet. Und dieser ganzheitliche Ansatz wird auch wahrgenommen, so haben wir in den letzten Jahren drei unterschiedliche Preise bekommen: einen Tourismuspreis, einen Umweltpreis und einen Kulturpreis. Soll das Netz noch weiter ausgebaut werden? Derzeit gibt es 87 Kulturwege als Netzwerk engagierter Menschen vor Ort mit zumeist eigenständigen, abgeschlossenen Rund­ wegen, die sich auf den jeweiligen Ort be­ ziehen. Wenn Leute vor Ort Bedarf für einen eigenen Weg sehen, werden wir diesem Wunsch nachkommen. Was sind eigentlich Ihre Lieblingsplätze im Spessart? Jeder Ort hat seinen Reiz. Bei mir hängt es stark von der Jahreszeit ab. Im Winter mag ich die offeneren Landschaften, wie den Kahlgrund. Und im Sommer, wenn es richtig heiß ist, wandere ich gerne im Hochspessart unter dem Schatten alter Buchen. S P E S S A R T B U N D Der Spessartbund, entstan­ den 1913 durch die Verei­ ni­gung verschiedener Ver­ eine, hat den Schutz und die Pflege der Natur und der Kulturlandschaft des Spes­ sarts zur Aufgabe. Mitglied im Spessartbund ist das Archäologische Spessart- Projekt (ASP), das sich die intensivere historische Erforschung des Spessarts auf die Fahnen geschrieben hat. Das ASP ist seit 2009 als Institut an der Universi­ tät Würzburg anerkannt. Dr. Gerrit Himmelsbach ist Historiker, Vorsitzender des Spessartbunds und Projektleiter des Archäo­ logischen Spessartpro­ jekts (ASP). 11Der Spessart K u lt u rgeschichte

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