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BaySF_Magazin_Spessart_2012

3 Jahre Junge Eichen brauchen viel Licht, um groß zu werden. 13 Jahre Im Kindesalter: Nur die kräftigste setzt sich durch. Bei dieser Vielfalt passt der Name „Sensibel­ chen“ gar nicht recht zu uns, finden Sie nicht auch? Mir persönlich würde „Charakterbaum“ viel besser gefallen. Der Wald ist ein buntes Ensemble – und wir sind für die Charakterrollen zuständig. In manchem Stück haben wir schon die Hauptrolle gespielt. Gut, die Germanen haben es vielleicht ein bisschen übertrieben. Bei denen waren wir gleich „Götterbäume“. Auch für die Kelten waren wir heilig. Das keltische Wort Druide – was Pries­ ter bedeutet – stammt von „druir“ ab, Eiche. Im antiken Griechenland gab es ein Eichenorakel: Drei Frauen horchten aufmerksam in eine alte, knor­rige Eiche. Aus dem Rauschen unserer Blätter vernah­ men sie angeblich die Stimme Zeus’. Es kursieren eine Menge Geschichten über uns. Offenbar haben wir schon immer die Fantasie der Menschen angeregt. Kennen Sie zum Beispiel die Geschichte von den sieben Nonnen, die ihr Schweigegelübde gebrochen hatten? Zur Strafe wurden sie in sieben Eichen verwandelt. Die Ei­ chen stehen seit 1 000 Jahren in einem Wald, die Nonnen scheinen noch immer büßen zu müs­ sen. Ich erwähnte es schon: Wir sind ein Symbol für die Ewigkeit. Oder wissen Sie, warum wir als Schutzbäu­ me der Viehhirten gelten? Das ist eine gute Ge­ schichte. Haben Sie noch einen Moment? Das war nämlich so: Es war einmal vor langer Zeit, da be­ nahmen sich die Ochsenhalter völlig daneben. Sie fluchten dauernd, sangen unanständige Lie­ der und hielten sich zum Ärger aller anderen an keine Regeln. Das beobachtete der Teufel bei einem Rundgang auf der Erde. Er bekam Lust, die Ochsenhalter allesamt zu sich zu holen. Aber Gott sagte: „Solange Blätter an den Bäumen hangen, darfst du die Ochsenhalter nicht anlangen.“ Der Teufel dachte sich: „Dann werde ich sie mir eben im Herbst holen.“ Als im Spätherbst alle Blätter abgefallen waren, hing das Laub von uns Eichen immer noch an den Ästen. Der Teufel wartete und wartete. Und als die ersten Schneeflocken fielen, unsere Blätter aber immer noch an den Ästen hingen, sprang der Teufel voller Wut auf unsere Wipfel hinauf, um das Laub mit seinen Zähnen herunter­zureißen. Er zerriss dabei alle Blätter – aber sie fielen trotzdem nicht herab. Daher sehen unsere Blätter wie von Zähnen zerbissen aus. Und deswegen sind wir bis heute die Schutzbäume der Viehhirten. Aber genug der alten Geschichten. Ich will Sie nicht ewig aufhalten. Schön, dass Sie mir ein we­ nig zugehört haben. Ich hätte noch eine Menge zu erzählen. Kommen Sie doch mal wieder vorbei! Wie wäre es morgen? Oder in 300 Jahren? 39Der Spessart B a u marten

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