Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

BaySF_Magazin_Spessart_2012

Kommen Sie ruhig einen Schritt näher! Nur keine Angst. Ich beiße nicht. Wissen Sie, wir Bäume sind von Natur aus recht friedliebende Gestalten. Schauen Sie mich ganz in Ruhe an. Na, wie sehe ich aus? Robust und stark, sagen viele. Imposant und groß, finden andere. Ein fester Cha­ rakter, eine starke Ausstrahlung wird mir häufig attestiert. Wie bitte? Sie finden, ich wirke auf den ersten Blick vor allem ein wenig schrumpelig? Das, mein lieber Waldbesucher, ist aber nicht sehr charmant. Meine Äste sind eher krumm, die Kronen licht, das gebe ich zu. Meine Haut ist nicht besonders straff, auch das stimmt. Aber das gehört bei uns Eichen einfach dazu. So sehen wir aus. Ganz gleich, ob wir ein paar Jahrzehnte oder schon ein paar Jahr­ hunderte alt sind. Man kann es auch positiv sagen: Wir halten uns ganz ausgezeichnet. Stolze Bäume sind wir schon von Kindesbeinen an, im Alter werden wir dann zu mächtigen Erscheinungen. 100, 200, 300 und mehr Jahre werden wir alt. Meine nahen Ver­ wandten im Hochspessart, im Eichhall oder Rohr­ berg haben sogar mehr als 500 Jahre auf dem Stamm. Meine entfernten Verwandten, die Bu­ chen – auch Eichen sind Buchengewächse –, ste­ hen dort ebenfalls seit geraumer Zeit. Aber sie werden nur halb so alt. Kleiner Frühstarterbonus. Wir Eichen sind schon viel länger im Spessart hei­ misch. Hinter uns liegt ein bewegtes Leben. Im Spes­ sart hat sich in den letzten Jahrhunderten so Ei­ niges getan. Ein einziges Kommen und Gehen. Die Wälder gehören zu den ältesten Europas. Ver­ gleichbar alte Waldgebiete gibt es nur im tiefen Osten, in den Urwäldern an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland. Aber das heißt nicht, dass es hier immer gleich aussah. Selbst wir Eichen waren nicht immer hier. Nach der letzten Eiszeit machten sich im Spessart erst einmal Kiefern und Birken breit. Vor 8 000 Jahren kamen wir. Und als das Klima vor 4 000 Jahren kälter und feuchter wurde, wanderte die Buche von den Rändern des Spessarts ein. Da waren wir Eichen schon fest verwurzelt in der Region. Gut, ich gebe zu: Dass es heute so viele von uns Eichen im Spessart gibt, dafür hat nicht nur die Natur gesorgt. Im Herzen sind wir nämlich ziemliche Sensibelchen. Und manch andere Baum­ art kommt mit dem Klima der letzten Jahrhun- derte noch besser zurecht, so dass wir ohne etwas Hilfe einen schweren Stand in den Spessartwäl­ dern hätten. Früher haben die Fürsten dafür ge­ sorgt, dass wir in großer Zahl wuchsen. Die wuss­ ten nämlich schon vor mehr als tausend Jahren: Wo viele unserer nahrhaften Früchte auf den Waldboden fallen, gibt es viel Wild. Und wo es viel Wild gibt, kann viel gejagt werden. Deswegen dominierten wir vor vierhundert Jahren noch alle Hochlagen des Spessarts. Heute sieht das etwas anders aus. Trotzdem geht es uns noch besser als in allen anderen Waldgebieten Deutschlands. Im Spessart wird auf sensible Gewächse gut auf­ gepasst. Wissen Sie, wir wachsen nicht besonders schnell, als junge Hüpfer brauchen wir viel Licht. Schatten? Bitte nicht! „Eichenbrüder, zur Sonne, zur Freiheit!“ – das ist unser Lebensmotto. Die entfernte Verwandtschaft, die Buche, wächst auf Dauer schneller und kommt mit weniger Licht aus. Damit wir Eichen im Spessart wachsen, werden die Buchen von uns ferngehalten. Wir hätten keine Chance gegen sie. Solange uns ein bisschen Platz gelassen wird, klappt es bei uns auch mit dem Nachwuchs. Und wenn wir groß und stark sind – 30 oder 40 Meter hoch – geben wir dem Wald aber auch eine Menge zurück. Wir sind beliebte Gastgeber. Die Gaststätten „Zur Eiche“ sind ständig aus­ gebucht. Mehr als 1 000 Insektenarten wohnen in unseren Kronen. Schmetterlinge lieben uns, Spechte auch. Und kennen Sie den Holzpilzkäfer? Der galt jahrelang als ausgestorben. Das stimmte aber gar nicht. Der hat sich einfach die ganzen Jahre im Inneren von uns Eichen versteckt! Wir sind Lebensspender. Vielleicht sogar mehr als jeder andere Baum im Wald. Ihr Menschen liebt uns auch. In allen Zustän­ den. Als stolze, große, alte Bäume. Als Symbole für Ewigkeit, Stabilität und Stärke. Wer kann sich noch erinnern, was auf der Rückseite des Pfennigs zu sehen war? Genau: ein Eichenblatt. Ihr Menschen schätzt auch unsere inneren Kräfte. Im Frühjahr erntet ihr unsere frische Rin­ de und macht daraus Extrakte gegen Hauter­ krankungen. Unser Holz ist edel, unsere starken Planken habt ihr Menschen schon früh zum Schiffsbau genutzt, das Schloss in Aschaffen­ burg kann man sich ohne unser Holz gar nicht vorstellen, eure Spitzenweine der Welt lagern in Eichenfässern. B a u mwahl Klima und Boden bestim­ men im wesentlichen, wo welche Baumart „hei­ misch“ ist. Das Klima än­ dert sich jedoch. Die Wäl­ der von morgen werden sich neuen klimatischen Bedingungen anpassen müssen. Hier setzt die Waldbaustrategie der Bay­ erischen Staatsforsten an. Sie forciert seit Jahren und mit Erfolg das Wachs­ tum von Mischwäldern, die dem Klimawandel bes­ ser gewachsen sind. Da­ bei setzen die Bayerischen Staatsforsten auf mindes­ tens vier Baumarten je Waldbestand. Die nicht im­ mer gleiche Kombination setzt sich zusammen aus Buche, Eiche, Tanne, Fich­ te, Ahorn, Kiefer, Dou­gla­ sie, … Von den regio­nalen Bedingungen hängen die Auswahl und Gewichtung der genannten Baumarten ab. Auch den Wäldern im Spessart wird mehr Misch­ wald in kommenden Kli­ mazeiten gut tun. Die wald­ baulichen Maßnahmen werden jedoch behutsam umgesetzt. Der Eiche wird geholfen, in dem man ihr das Licht verschafft, das die Buche gerne nimmt. Ergänzt werden diese beiden Baumarten durch einen bemessenen Anteil von Nadelhölzern. 38 Der Spessart B a u marten

Pages