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Waldnaturschutzleistungen und Weißtanne im Fokus

Revierleiter Ernst Süß erläutert den nordrheinwestfälischen Gästen wie er bei seiner Arbeit auf die Belange des Naturschutzes Rücksicht nimmt

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Waldbesitzer informieren sich am Forstbetrieb Kelheim

Essing, 13. Mai 2015 – Einen ganzen Bus interessierter Waldbesitzer aus Nordrhein-Westfalen konnten der Leiter des Forstbetriebs Kelheim, Franz Paulus und Revierleiter Ernst Süß am Dienstag im Staatswald bei Sausthal begrüßen. Die 45 Mann und Frau starke Gruppe war in den Freistaat gereist, um sich bei den Bayerischen Staatsforsten über die Berücksichtigung von Naturschutzbelangen bei der Waldwirtschaft und den waldbaulichen Umgang mit der Weißtanne zu informieren. Gerade vor dem Hintergrund, dass in Nordrhein-Westfalen zum Unfrieden vieler Waldbesitzer prozentuale Vorgaben zur Flächenstilllegung in die Biodiversitätsstrategie des Landes aufgenommen wurden, war das Interesse groß, wie im Freistaat die nationalen Biodiversitätsziele umgesetzt werden. Betriebsleiter Paulus erklärte den Gästen, dass Bayern 2008 eine eigene Biodiversitätsstrategie verabschiedet habe und sich dabei bezüglich der Waldbewirtschaftung bewusst von den Stilllegungszielen des Bundes gelöst habe: „Unser Ziel in Bayern ist, die Artenvielfalt im Wald durch eine integrative und naturnahe Bewirtschaftung auf ganzer Fläche zu sichern und zu verbessern.“ Kurz gefasst ließe sich der bayerische Weg auch mit den Worten „Schützen und Nutzen auf der gleichen Fläche“ umschreiben. Gemäß den Ausführungen des Betriebsleiters hätten die Bayerischen Staatsforsten die praktische Umsetzung dieses Ziels in einem bayernweiten Naturschutzkonzept zusammengefasst. Handlungsschwerpunkte wären beispielsweise der Schutz alter und seltener Waldbestände oder der Erhalt und die Anreicherung von Totholz und Biotopbäumen. Wie alle Forstbetriebe des Unternehmens habe auch Kelheim die bayernweite Konzeption auf die örtlichen Gegebenheiten herunter brechen und ein eigenes Naturschutzkonzept erstellen müssen. „Dieses Regionale Konzept haben wir jetzt fertig und werden es in zwei Wochen vorstellen“, sagte Paulus. Anhand mehrerer Waldbilder führte Revierleiter Ernst Süß den Exkursionsteilnehmern vor Augen, wie anspruchsvoll es ist, die Belange des Naturschutzes bei der praktischen Arbeit im Wald zu berücksichtigen.

Als zweites Exkursionsthema stand die Weißtanne auf dem Programm. Für die Gäste aus Nordrhein-Westfalen war dieses Thema deshalb so interessant, da Nordrhein-Westfalen mit 150 Millionen Tannen zwar zur tannenreichsten Region Deutschlands zähle, es sich dabei aber fast ausschließlich um Nordmanntannen in Christbaumkulturen handle. Naturnahe Forstwirtschaft mit der heimischen Weißtanne sei dort noch wenig verbreitet. Betriebsleiter Paulus berichtete, dass die Weißtanne in Kelheim hingegen nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Klimawandels eine enorme Bedeutung habe. Als tiefwurzelnde Baumart sei sie gegen Trockenperioden und Stürme deutlich besser gewappnet, als die flachwurzelnde Fichte. „Wenn die Klimaszenarien nur annähernd so eintreten, wird es die Fichte auf unseren flachgründigen Karstböden in weiten Bereichen künftig äußerst schwer haben“, betonte Paulus. Deshalb habe sich der Forstbetrieb vorgenommen, die Fichtenanteile von derzeit 44 Prozent langfristig auf rund 35 Prozent zu reduzieren und im Gegenzug den Tannenanteil von zwei auf sechs Prozent zu erhöhen. Nach den Worten von Revierleiter Süß spräche neben einer enormen Schattentoleranz auch die große Wuchsleistung bis ins hohe Alter für die Tanne. „Wenn Sie so wollen: mit 88 Jahren, da fängt für die Tanne das Leben an“, scherzte Süß. Und technisch stünde das Holz der Tanne dem der Fichte in nichts nach. Optimale Voraussetzungen also? Nicht ganz, denn der Haken liege nach Süß oftmals bei der natürlichen Verjüngung der Tanne, aber nicht weil sie so selten fruktifiziere, sondern weil junge Tannenpflänzchen für Rehe wahre Leckerbissen seien. Auch in seinem Revier käme er trotz großen Jagddrucks nicht umhin, einzelfallweise auch auf Einzelschutzmaßnahmen wie Drahthosen oder Schafwolle zurückzugreifen, damit junge Tannen möglichst rasch aus dem verbissgefährdeten Bereich entwachsen können. Aber trotz aller Schwierigkeiten halten Paulus und Süß die natürliche Beimischung der Tanne zur Fichte und Buche nicht zuletzt auch aus wirtschaftlicher Sicht für den Forstbetrieb Kelheim für richtig und wichtig: „Momentan leben wir wirtschaftlich noch immer vom Nadelholz und insbesondere von der Fichte. Es ist deshalb eine wichtige Zukunftsaufgabe unseren Nachkommen in den Wäldern einen angemessenen Nadelholzanteil zu sichern und die Fichte beispielsweise teilweise durch die klimatolerantere und wuchskräftige Tanne zu ersetzen“.

Am Ende der Exkursion zeigten sich die nordrheinwestfälischen Gäste beeindruckt von den umfangreichen Anstrengungen dem Natur- und Artenschutz bei der integrativen Wald­bewirtschaftung ausreichend Platz einzuräumen und bedauerten, dass die nordrheinwestfälische Landesregierung mit ihrer Biodiversitätsstrategie einen anderen Weg eingeschlagen habe. Gleichzeitig nahmen sie wichtige Anregungen für eine zunehmende Berücksichtigung der Weißtanne in den Wäldern Nordrhein-Westfalens mit. „Ich werde es in meinem Wald jetzt mal probieren mit der Tanne“, meinte ein Teilnehmer am Schluss.