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Biologischer Waldschutz vor Mäusen

Mit Lebendfallen gegen Mäuseschäden im Forst: Christopher Reuß und Harald Quinger (von links) betreuen eine Studie zum biologischen Waldschutz im Langheimer Wald.

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Rothenkirchen, 24. Juni 2016 - In günstigen Jahren mit milden Wintern können sich Mäuse so stark vermehren, dass sie Gartenbesitzern, aber auch Land- und Forstwirten große Sorgen bereiten. Im vergangenen Jahr musste gerade in Oberfranken in der Landwirtschaft örtlich zum Gifteinsatz gegriffen werden um größere wirtschaftliche Schäden zu verhindern. Ob man in der Forstwirtschaft auch in Extremsituationen ganz auf eine rein biologische Mäusebekämpfung setzen kann, dieser Frage gehen jetzt im Forstrevier Klosterlangheim zwei junge Leute in einem echten „Feldversuch“ nach.

„Gras – Maus – Aus“. Dieser alte Försterspruch fasst das Schicksal so mancher Laubholzkultur griffig zusammen. Die Mausarten Feld- und Erdmaus ernähren sich im Sommerhalbjahr weit überwiegend von Graswurzeln. Wenn frisches Gras dann im Winterhalbjahr in ausreichendem Umfang fehlt, benagen die „Kurzschwanzmäuse“, wie der Biologe diese Arten zusammenfasst, die Rinde junger Laubbäume. Das kann in „Mäusejahren“ zum Ausfall der gesamten Kultur führen. Die Förster vermeiden deshalb von Anfang an den Graswuchs, indem sie junge Bäume möglichst nur unter dem Schirmschutz von Altbeständen pflanzen.

„Leider klappt das nicht immer“, sagt Harald Quinger aus Lichtenfels, der im vergangenen Jahr ein mehrmonatiges Praktikum als Teil seines Forststudiums im Forstrevier Klosterlangheim der Bayerischen Staatsforsten ableistete. „Nach Sturmkatastrophen etwa müssen Kahlflächen wieder bepflanzt werden. Da kann der Waldbesitzer den Graswuchs gar nicht verhindern“. Am Rande des Langheimer Waldes habe es jetzt eine vergleichbare Situation gegeben. Zum Glück keine Schadensfläche, sondern eine feuchte Wiese, die vor zwei Jahren vom Forstrevier mit Eichen, Linden und Schwarzerlen aufgeforstet wurde. „Vor allem die Eiche ist ein Leckerbissen für Mäuse“, so Quinger. Bereits im ersten Winter sei es zu Ausfällen durch Mäusefraß gekommen. „Wir wollten aber die Zukunft des jungen, besonders standortangepassten Waldes retten, also musste gehandelt werden“. Gifteinsatz – im Forst für vergleichbare Situationen eigentlich zugelassen – habe der Forstbetrieb Rothenkirchen grundsätzlich ausgeschlossen. Als Alternative sei von hier der Einsatz von Fallen vorgeschlagen worden, mit dem Auftrag, eine Langzeitstudie durchzuführen, um Erkenntnisse für vergleichbare Fälle zu gewinnen.

Das war der Startschuss für Harald Quingers Waldschutzprojekt. Im Herbst letzten Jahres brachte er auf der 1,6 Hektar großen gezäunten Kulturfläche verschiedene handelsübliche Lebendfallen für Mäuse aus. „Von den getesteten vier Modellen hat sich dann eigentlich nur die „Göttinger Fangwanne“ bewährt – eine Entwicklung niedersächsischer Forstleute. Mit zwanzig dieser Fallen und der ebenfalls im Versuch bestätigten Apfelsorte „Golden Delicious“ als Lieblingsköder der Mäuse sei der Versuch von Anfang November bis heute durchgeführt worden. Nach Abschluss von Harald Quingers Praktikum dann betreut von Christopher Reuß aus Mistelfeld, langjähriger Jagdgast und Forsthelfer im Revier. „Im Winter bei Schneelage war das gar nicht so einfach“, lacht Reuß. Deckel für die nach oben offenen Fangwannen seien angeschafft worden. „Und wir haben mit Teelichtern experimentiert, um das Einfrieren der Mechanik zu verhindern“.

Nach oben offen seien die Fangstationen, damit auch Beutegreifer wie Bussard und Turmfalke bei Tag und Eulen bei Nacht gefangene Mäuse als Nahrung nutzen könnten. „Das haben wir durch das Aufstellen von Sitzstangen für die Greifvögel auf der ganzen Fläche unterstützt.“. Auch Füchse und Katzen seien bei der Kultur beobachtet worden. Ihnen werde mit speziellen Durchlässen der Zugang in den Kulturzaun erleichtert, so Reuß. „Überlebende gefangene Mäuse haben wir auf einer entfernten Biotopfläche im Staatswald wieder ausgesetzt.“ Natürlich nicht, ohne sie zu zählen. „Insgesamt haben wir bis zum Frühjahr über Hundert gefangene Mäuse registriert, davon allein drei Viertel im Spätherbst zwischen Anfang November und Mitte Dezember. Danach dann deutlich weniger.“ Vielleicht hätten sich aber auch im Winter die tierischen Mäusejäger stärker aus den Fangwannen bedient um ihre Nahrungsnotzeit bei Schneelage zu überbrücken.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie: Neue Nageschäden seien nach den ersten sechs Wochen Fallenstellen um über die Hälfte gesunken. Nur noch fünf Prozent der Bäumchen seien in diesem besonders gefährdeten Zeitabschnitt im Spätherbst beschädigt worden, wie die Auswertung einer Probefläche ergab. - Und das hätte man mit Mäusegift nicht auch erreichen können? „Ganz bestimmt, und dazu noch billiger“, ist Harald Quinger überzeugt. Laut der Vergleichskalkulation in seinem Versuchsbericht sei die biologische Fangmethode mit täglicher Kontrolle und den flankierenden Hilfen für Beutegreifer zunächst einmal deutlich teurer als ein Gifteinsatz. „Die Fallen kann man aber immer wieder verwenden. Doch am wichtigsten: Nur so kann mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Gift in die Nahrungskette bis hin zu Mauswieseln, Hermelinen, Greifvögeln und Füchsen gelangt. Genau das zu verhindern ist unsere Motivation hier im Staatswald.“